26.04.2024

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Folge 27-21 vom 09. Juli 2021 / Osteuropa / Flucht in den Westen wegen Krise und Armut / Demografische Ost-West-Kluft innerhalb der EU: Wirkung zeigt sich in den nächsten Jahrzehnten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-21 vom 09. Juli 2021

Osteuropa
Flucht in den Westen wegen Krise und Armut
Demografische Ost-West-Kluft innerhalb der EU: Wirkung zeigt sich in den nächsten Jahrzehnten
Bodo Bost

In einer am 12. Juni veröffentlichten Studie des Nationalen Instituts für Demografische Studien in Polen wird erläutert, in welchem Ausmaß die Gesellschaften östlich des einstigen Eisernen Vorhangs in den letzten 30 Jahren dauerhaft destabilisiert worden sind. Im Jahr 1989 befanden sich die elf ehemals kommunistischen Länder Mitteleuropas (EU-11) in einer guten demografischen Verfassung, mit einer Fertilitätsrate, die die Erneuerung der Bevölkerung sicherstellte und zwischen 1,9 und 2,2 Kindern pro Frau lag. Dieser Indikator sank im Laufe der 1990er Jahre in allen diesen Ländern und erreichte in Bulgarien, Lettland und der Tschechischen Republik einen Tiefstand von 1,1 Kindern pro Frau. Die Menschen verloren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch die Kinderbetreuung. Es waren die großen Industriekonzerne, die die Kindertagesstätten zur Verfügung stellten, und die Kaskade von Insolvenzen schuf eine riesige Lücke.

Millionen von Menschen nutzten die neue Freizügigkeit, um vor der Krise und dem Sparkurs in die westlichen Staaten zu fliehen. Laut europäischer Statistik hat sich die Zahl der Menschen aus den EU-11-Ländern, die in anderen EU-Mitgliedsstaaten leben, zwischen 2004 und 2017 auf rund 8,2 Millionen fast verfünffacht. Zu einer hohen Auswanderung kam eine sehr niedrige Fertilitätsrate. In dreißig Jahren haben die elf Länder durchschnittlich sieben Prozent ihrer Bevölkerung verloren. In Bulgarien, Lettland und Litauen lag der Rückgang bei über 20 Prozent, in Estland und Rumänien bei 16 Prozent, in Kroatien bei elf und in Ungarn bei acht Prozent. Nur drei der EU-11-Länder entgingen dem Rückgang: die Tschechische Republik, die Slowakei und Slowenien. Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung in den anderen 17 EU-Mitgliedsstaaten im Durchschnitt um 13 Prozent.

Der Kern der demografischen Krise ist inzwischen überwunden, aber ihre Nachwirkungen in der Alterspyramide werden in den kommenden Jahrzehnten noch ihre Wirkung zeigen. Aufgrund des Verlustes vieler junger Arbeitskräfte haben mehrere dieser Länder praktisch keine Arbeitslosigkeit und leiden sogar unter Arbeitskräftemangel, obwohl ihre Volkswirtschaften von europäischen Investitionen profitiert haben. Polen wurde erstmals in seiner Geschichte zum Einwanderungsland, vor allem für Ukrainer und Weißrussen. Als traditionelles Land der Auswanderung war es 2017 das führende EU-Land für die höchste Anzahl an Aufenthaltsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige.