25.04.2024

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Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Strukturförderung / „Potsdam hat laufen gelernt“ / Bundesregierung: Östliche Bundesländer haben immer noch Nachholbedarf in Sachen Wirtschaftskraft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Strukturförderung
„Potsdam hat laufen gelernt“
Bundesregierung: Östliche Bundesländer haben immer noch Nachholbedarf in Sachen Wirtschaftskraft
Norman Hanert

Im Jahresbericht „Deutsche Einheit“ bescheinigt die Bundesregierung den östlichen Bundesländern noch immer Nachholbedarf bei der Wirtschaftskraft. Deren ökonomische Leistungsfähigkeit liege rund 30 Jahre nach der deutschen Vereinigung noch immer erst bei 81 Prozent des Bundesdurchschnitts. Besonders stark aufgeholt haben allerdings Berlin und das Umland der deutschen Hauptstadt. Im Fall von Potsdam hat die erfolgreiche Aufholjagd bald sogar einschneidende Folgen: Als erste Kommune im Osten der Bundesrepublik soll die Landeshauptstadt Brandenburgs ab 2022 keine Strukturfördermittel von Bund und Ländern mehr bekommen. In einer vom Bundesministerium für Wirtschaft veröffentlichten Gebietskarte zur Förderung strukturschwacher Regionen wird Potsdam erstmals ab 2022 nicht mehr als Fördergebiet aufgeführt.

Der bereits nächstes Jahr drohende Wegfall von Fördermitteln hat höchst unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht den Wegfall der Förderung als eine Art „Ritterschlag“, der zeige, dass die Stadt die Aufholjagd zu den Regionen mit größerer Wirtschaftskraft geschafft habe: „Potsdam ist nicht mehr strukturschwach. Potsdam hat laufen gelernt“, freut sich der Minister. In Potsdam selbst fühlt sich so mancher vom schnellen Stopp der Fördergelder allerdings überrumpelt.

Keine Förderung mehr ab 2022

Bernd Rubelt, Wirtschaftsbeigeordneter der Stadt, erklärte: „Über den Ausschluss Potsdams aus der neuen GRW-Gebietskulisse waren wir vollkommen überrascht.“ Der parteilose Rubel warnt vor einer „Vollbremsung“, wenn die Landeshauptstadt bereits kommendes Jahr aus der Strukturförderung fliegt. Auch bei der Handwerkskammer Potsdam gibt es im Zusammenhang mit dem Förderstopp Befürchtungen. Aus Sicht von Ralph Bührig, dem Hauptgeschäftsführer der Kammer, hat sich seine Heimatstadt zwar zu einem prosperierenden Wirtschaftsstandort entwickelt. Der Handelskammerchef warnt aber auch: „Diese gute Entwicklung darf nicht abrupt beendet werden.“

Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigt inzwischen die Entscheidung, Potsdam nicht mehr aus dem GRW-Topf zu fördern. Im Vergleich der Regionen steht die Stadt für diese Hilfsgelder zu gut da, so die Begründung. Verwiesen wird dabei auf das Pro-Kopf-Einkommen Potsdams, das inzwischen höher liegt als der Bundesdurchschnitt. Festgelegt werden die GRW-Fördergebiete in Deutschland von einem Bund-Länder-Ausschuss. Dabei fließen nach offiziellen Angaben Faktoren wie die Produktivität einer Region, die Zahl der Arbeitslosen, die demografische Entwicklung und die Infrastruktur mit ein.

Anders als Potsdam weist die Karte des Bundeswirtschaftsministeriums für die neue Förderperiode 2022 bis 2027 Berlin weiterhin als Gebiet mit Förderstatus aus. Auch in der Hauptstadt hat es in den letzten fünf Jahren eine Wirtschaftsentwicklung gegeben, die Experten lange für unwahrscheinlich gehalten haben. Die Stadt hat sich sogar während der Corona-Krise verblüffend gut behaupten können. Gemessen am gesamtdeutschen Durchschnitt des Bruttoinlandsprodukts (BIP) je Arbeitsstunde je Erwerbstätigen hat Berlin vergangenes Jahr mit 100,1 Prozent der Wirtschaftsleistung sogar erstmals den gesamtdeutschen Durchschnitt erreicht. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat inzwischen untersucht, was hinter der robusten Entwicklung der Berliner Wirtschaft steckt. 

Berlin behält Förderstatus

Viele Ökonomen hatten eigentlich damit gerechnet, dass gerade Berlin mit seinem großen Dienstleistungs- und Tourismussektor besonders massiv unter der Corona-Pandemie leiden würde. Stattdessen ist es der Hauptstadt aber gelungen, die bisherige gute Entwicklung fortzusetzen. Die Berliner Wirtschaft war bereits von 2014 bis 2020 überdurchschnittlich gewachsen. 

Laut der Untersuchung der Volkswirte des Instituts für Wirtschaft ist in Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen die Wirtschaft im Coronajahr 2020 um mehr als vier Prozent eingebrochen. Für die Erwerbstätigen in Berlin ermittelten die Ökonomen dagegen nur einen Rückgang von 1,4 Prozent. 

Zur Erklärung verweist IW-Direktor Michael Hüter darauf, dass Berlins Wirtschaft auf vielen unterschiedlichen Säulen ruht. Zudem hat die Hauptstadt ihre untergeordnete Rolle abgelegt; sie entwickelt sich sogar zu einem der Wachstumskerne der deutschen Wirtschaft. Hüter sieht dahinter allerdings keineswegs einen Erfolg der Wirtschaftspolitik des Berliner Senats. Vielmehr sieht der IW-Chef einen Selbstläufereffekt, der in großen Agglomerationsräumen mit einer großen Zahl von Hochschulen und Forschungsmöglichkeiten quasi automatisch in Gang kommt.