29.03.2024

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Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Iran / Islam auf dem Rückzug / Der Wunsch nach religiösem Wandel wächst – Staatsverfassung erlaubt indes keine Reformen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Iran
Islam auf dem Rückzug
Der Wunsch nach religiösem Wandel wächst – Staatsverfassung erlaubt indes keine Reformen

Meinungsforscher widerlegen die politisch instrumentalisierte Religionsstatistik in vielen islamisch geprägten Ländern. Im Iran bekennen sich laut einer demoskopischen Umfrage der Universität Utrecht nur noch etwa 40 Prozent der Bevölkerung zum Islam, in der offiziellen Statistik sind es aber 99,2 Prozent.

Immer mehr Muslime zweifeln an ihrer Religion, nicht nur die, die in nichtislamische Länder auswandern, weil sie verfolgt wurden. Selbst hierzulande, wo sich sogar Verbände von Ex-Muslimen organisieren, versuchen Islamverbände mit gefälschten Zahlen und Mitgliederlisten die ausgewanderten Muslime mit Druck an sich zu binden und werden darin leider oft noch von der öffentlichen Verwaltung unterstützt. Die Säkularisierung wirkt jedoch bei Muslimen ebenso oder sogar stärker als bei Christen, für die Religion Privatsache ist. 

Für die Muslime in den offiziell muslimischen Ländern ist es genau umgekehrt: Wegen des starken öffentlichen Drucks bleiben für die allermeisten Muslime Glaubenszweifel Privatsache. Einen öffentlichen Diskurs über diese Entwicklung gibt es in den muslimischen Ländern nicht, deshalb zweifelt auch niemand die offiziellen Religionsstatistiken an. 

Nur noch 40 Prozent Islambekenner

Ein der Universität Utrecht angegliedertes Meinungsforschungsinstitut „Group for Analyzing and Measuring Attitudes in Iran“ (GAMAAN) hat in einer Umfrage unter mehr als 50.000 Iranern über 

19 Jahren die religiösen Glaubensinhalte untersucht und analysiert. Die Ergebnisse der Umfrage waren sehr erstaunlich.

78 Prozent der Iraner glauben zwar an Gott, aber ungefähr die Hälfte der Bevölkerung gab an, ihre Religion verloren zu haben. Nur 32 Prozent identifizierten sich als schiitische Muslime, weitere fünf Prozent als sunnitische Muslime und drei Prozent als Sufis, während in den öffentlichen Statistiken 99,2 Prozent der Iraner als Muslime geführt werden. Erstaunlich hoch war der Anteil der Atheisten mit neun, der Spiritisten mit sieben, und der Agnostiker mit sechs Prozent.

Überraschend war auch der Anteil der Zoroastrier, der alten vorislamischen Zarathustra-Religion des persischen Reiches, zu welcher sich acht Prozent der Befragten bekannten. In den öffentlichen Statistiken werden Anhänger dieser altpersischen Religion mit weniger als 

0,1 Prozent beziffert.  

Der Religionswissenschaftler Michael Blume hatte in seinem Buch „Islam in der Krise“ 2017 bereits die Wiederauferstehung des Zoroastrismus festgestellt, denn sogar in der kurdisch verwalteten Autonomiezone des Irak in Erbil war ein Tempel dieser Religion, die viele Iraner und Schiiten als die authentische Religion des alten Zweistromlandes ansehen, errichtet worden. Auch andere Analysten waren in den letzten Jahren die leeren Moscheen und Gotteshäuser im Iran, die zu Zeiten des Schahs noch voll waren, aufgefallen.  

Der Leiter der Untersuchung, Pooyan Tamimi Arab, betrachtet die Ergebnisse der Umfrage als Wunsch nach religiösem Wandel und als logische Folge der Säkularisierung des Iran. Dessen Gesellschaft habe große Veränderungen durchlaufen. So sei die Alphabetisierungsrate sei enorm gestiegen, die Verstädterung massiv vorangeschritten, die wirtschaftliche Entwicklung habe die traditionellen Familienstrukturen aufgelöst und die Geburtenraten glichen sich denen im Westen an. 

Auch die intensive Verflechtung von Staat und Religion im Iran, offiziell nach der Staatsdoktrin der Vertreter-Herrschaft (Velayet e Fakih) ist der Iran ein Gottesstaat, sorgt in der Bevölkerung für Unmut über die institutionalisierte Religion. Gebete und Fasten kann man verordnen, aber Glauben nicht. Reformen kann es jedoch laut Staatsverfassung nicht geben. B.B.