26.04.2024

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Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Ein Amerikaner in Weimar / Vor 150 Jahren wurde in New York Lyonel Feininger geboren – In Deutschland machte er als Künstler Karriere und war viel mit dem Rad unterwegs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Ein Amerikaner in Weimar
Vor 150 Jahren wurde in New York Lyonel Feininger geboren – In Deutschland machte er als Künstler Karriere und war viel mit dem Rad unterwegs
Veit-Mario Thiede

Der am 17. Juli 1871 in New York geborene Lyonel Feininger war im deutschen Kaiserreich ein gefragter Karikaturist und Illustrator für Satiremagazine wie „Das Narrenschiff“, bevor er sich 1906 auf die Malerei verlegte und zu einem der bis heute beliebtesten Künstler der Klassischen Moderne entwickelte. Der vor 150 Jahren geborene US-amerikanische Staatsbürger mit deutschen Wurzeln wird in Quedlinburg und Weimar mit Sonderausstellungen geehrt.

Feininger kam 1887 nach Deutschland, um in Leipzig Geigenunterricht zu nehmen. Kaum angekommen, überlegte er es sich aber anders und nahm zunächst an der Hamburger Kunstgewerbeschule, dann an der Königlichen Kunstakademie Berlin Zeichenunterricht. 

In den Sommerferien an der Ostsee lernte er 1905 die einer reichen jüdischen Kaufmannsfamilie entstammende angehende Malerin Julia Berg kennen, die an Henry van de Veldes Weimarer Kunstgewerbeschule studierte. Sie wurde Feiningers zweite Ehefrau, gab ihre künstlerischen Ambitionen auf und ermunterte ihn, Maler zu werden. Fortan war Feininger bestrebt, in Malerei und Druckgraphik zu seinem ureigenen Stil zu finden. Er schrieb 1907 an Julia: „Das Gesehene muss innerlich umgeformt und crystallisiert werden.“ Seinen nach diesem Credo entwickelten Stil nannte er „Prismaismus“. Entsprechend der Aufspaltung des Lichts in einem Prisma teilte er das Bildfeld in unterschiedliche Farbflächen auf, die gegenständliche Motive verfremden.

In der Weimarer Republik machte Feininger als Künstler und Lehrer Karriere. Er war der erste Meister, den Walter Gropius an das 1919 eröffnete Bauhaus von Weimar berief. Das von Gropius verfasste Gründungsmanifest des Bauhauses illustrierte Feininger mit dem berühmten Holzschnitt der „Kathedrale“, über der drei Sterne die Malerei, Bildhauerei und Architektur versinnbildlichen. Vorbild für die „Kathedrale“ war die kleine Dorfkirche von Gelmeroda bei Weimar. 

Von 1906 bis in die 1930er Jahre unternahm Feininger künstlerische Expeditionen in die Dörfer rund um Weimar, wo er bevorzugt die Kirchen zeichnete. Er nannte diese Blätter „Naturnotizen“. Eine Auswahl präsentiert das Bauhaus-Museum Weimar in der Sonderschau „Lyonel Feininger mit dem Rad unterwegs“. Die Schau macht neugierig auf den „Feininger-Radweg“. Er führt zu fünf Kirchen und einer Brücke, von denen Feininger Zeichnungen anfertigte, die ihm noch Jahrzehnte später als Vorlagen für Gemälde und Druckgraphiken dienten.

Quedlinburger sicherte sich Graphik

Die Sonderausstellung der Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie veranschaulicht die Entwicklung des Künstlers von den karikaturistischen Anfängen bis zum Spätwerk. Der bei frühen Gemälden wie der „Marine mit Barke“ vorherrschende Eindruck der Skurrilität, der nicht zuletzt durch altertümlich gekleidete Figuren geweckt wird, wandelt sich auf den späteren Seestücken und Architekturbildern ins Feierliche und auch düster Erhabene. 

Das zeigt etwa die eindrucksvolle Leihgabe „Marienkirche mit dem Pfeil“ (1930). Sie gehört zu einer Serie von elf Ansichten Halles an der Saale, die Feininger 1929 bis 1931 im Auftrag der Stadt für das Kunstmuseum Moritzburg schuf. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten sie als „entartete Kunst“. Neben der „Marienkirche mit dem Pfeil“ befinden sich heute wieder „Der Dom in Halle“ und „Roter Turm I“ im Besitz des Kunstmuseums Moritzburg. Als Leihgabe des Kunstmuseums Mülheim an der Ruhr ist derzeit auch der „Rote Turm II (Halle)“ von 1930 ausgestellt. Der Bilderfolge ist ein Stadtrundgang gewidmet.

Von 1925 bis zur Schließung 1932 durch die Nationalsozialisten residierte das Bauhaus in Dessau. Feininger gehörte ihm zwar noch an, aber war von allen Lehrverpflichtungen befreit. Ein Gehalt bekam er nicht, durfte aber mit der Ehefrau und den drei Söhnen in einem der Meisterhäuser wohnen. Erst als Nationalsozialisten das Haus 1933 durchsuchten, zogen sich die Feiningers nach Berlin zurück. Der mit ihnen befreundete Hermann Klumpp half bei der Räumung des Meisterhauses und verfrachtete die Kunstwerke erst nach Halle, dann zu sich nach Quedlinburg.

Als Julia und Lyonel Feininger 1937 in die Vereinigten Staaten ausreisten, schickte ihnen Klumpp die gewünschten Werke nach und versteckte die restlichen vor den Nationalsozialisten. Dank Klumpps Aktion verfügt die Feininger-Galerie über die weltweit größte Sammlung der Graphik sowie neun Gemälde Feiningers. Viele seiner Naturnotizen aber hatte der Künstler mit nach Amerika genommen. Sie beflügelten bis zu seinem Tod 1956 seine Rückerinnerungen an Deutschland, sodass neben Bildern von den Wolkenkratzern Manhattans Gemälde und Druckgraphiken von Dorfkirchen in Thüringen, von Deep bei Kolberg und seinen anderen ehemaligen Feriendomizilen an der Ostsee das Spätwerk bereichern.

Ausstellungen „Becoming Feininger“: bis 12. September in der Lyonel-Feininger-Galerie, Schlossberg 11, Quedlinburg, www.feininger-galerie.de. „Lyonel Feininger mit dem Rad unterwegs“: bis 1. August im Bauhaus-Museum, Stéphane-Hessel-Platz 1, Weimar, www.klassik-stiftung.de. Feininger-Touren „Die Halle-Bilder – Ein Stadtrundgang“: www.moderne-halle.de/alle-orte-im-ueberblick/feininger-rundgang. „Feininger-Radweg in Weimar und im Weimarer Land“: www.weimarer-land.travel/feininger-radweg. „Feininger Radtour“ auf Usedom: Radkarten zum Herunterladen: www.usedom.de/feininger-radtour. Buchneuerscheinung Andreas Platthaus, „Lyonel Feininger: Porträt eines Lebens“, Rowohlt Verlag, 448 Seiten, 28 Euro