26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Wilhelm Prinz von Preußen / Die Staatsspitze lag mehrmals in Sichtweite / Der vor 70 Jahren gestorbene Kaisersohn ist Mittelpunkt einer aktuellen juristisch-historischen Kontroverse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Wilhelm Prinz von Preußen
Die Staatsspitze lag mehrmals in Sichtweite
Der vor 70 Jahren gestorbene Kaisersohn ist Mittelpunkt einer aktuellen juristisch-historischen Kontroverse
Erik Lommatzsch

Für den letzten Kronprinzen des Deutschen Reiches und des Königreichs Preußen lag in den Jahren 1908, 1918, 1932 und auch später noch auf verschiedene Weise der Weg an die Staatsspitze in Sichtweite. Erreicht hat er diese Position nie. 

Geboren wurde der älteste Sohn des letzten Deutschen Kaisers und Königs von Preußen am 6. Mai 1882 in Potsdam. Zu dieser Zeit regierte noch sein 85-jähriger Urgroßvater Wilhelm I. Nach Aussage des Erziehers Johannes Keßler war der junge Prinz „weit über den Durchschnitt begabt“. Ein späterer Biograph fügte „Oberflächlichkeit“ als wesentlichen Charakterzug hinzu. 

Daily-Telegraph-Affäre 1908

Das Militärische dominierte in der Ausbildung. Ein Offizierspatent erhielt Wilhelm anlässlich seines 18. Geburtstages. Von 1901 bis 1903 studierte er an der Universität Bonn Staats- und Verwaltungsrecht. Im Juni 1905 heiratete er die Herzogin zu Mecklenburg (-Schwerin) Cecilie. Die Verbindung galt als Liebesheirat. Cecilie erfreute sich in der Öffentlichkeit großer Beliebtheit. Sie war sozial engagiert, etwa im Bereich der Frauenbildung. Sechs Kinder hatte sie gemeinsam mit dem Kronprinzen. Später wurde das 1917 vollendete Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten bezogen.

Wilhelm II. trug sich Ende 1908 wegen der Daily-Telegraph-Affäre zeitweise mit Abdankungsplänen. In diesem Falle wäre ihm der Kronprinz nachgefolgt. Familie und engere Umgebung brachten den Kaiser aber schließlich von seinem Vorhaben ab.

Nach einer mehrmonatigen Indien- und Ägyptenreise wurde der Kronprinz im September 1911 Kommandeur des 1. Leibhusarenregiments in Danzig. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges erhielt er im August 1914 das Oberkommando über die 5. Armee. Ab November 1916 führte er die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Wilhelm gehörte zu den militärischen Führern der Schlacht bei Verdun. Zu Beginn des Krieges war er von seinem Vater angewiesen worden, dem Ratschlag seines Generalsstabschefs unbedingt Folge zu leisten. Auch wenn er sich gegen die „Ausblutungsstrategie“ an der Westfront ausgesprochen haben soll, gilt der Kronprinz doch als Befürworter derjenigen, die sich gegen einen Verständigungsfrieden aussprachen und auf Annexionen setzten. 

Nach den Memoiren Kaiser Wilhelms II. war es sein ältester Sohn, der „die bekannte Feststellung bei den Parteiführern machte“, es sei ein Irrtum, dass nur der auf Mäßigung setzende Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg „die Arbeiterschaft hinter sich hätte“ und „das für den Friedensschluß erforderliche Vertrauen im Ausland besäße“. Bethmann verlor im Juli 1917 sein Amt. 

In Aufzeichnungen, die 1922 veröffentlicht wurden, geht der Kronprinz hart mit der deutschen Politik vor und während des Krieges ins Gericht. In diesen sei man durch die Unfähigkeit der Verantwortlichen „hineingetapert“. Einen Sonderfrieden mit Russland hätte man etwa bereits im Frühsommer 1915 anstreben müssen. Dazu passt, dass der Kronprinz den hessischen Großherzog Ernst Ludwig in einem Brief aufgefordert hat, dessen familiäre Beziehungen zum Zaren Nikolaus II. in diesem Sinne zu nutzen. Insgesamt beklagt Wilhelm die mangelnde deutsche Geschlossenheit und das Fehlen einer Zivildiktators, wie ihn Frankreich und England gehabt hätten.

Novemberrevolution 1918

Im Vorfeld der im November 1918 einsetzenden revolutionären Wirren schien noch einmal kurzzeitig die Möglichkeit auf, die Hohenzollernmonarchie könnte bewahrt werden, indem Wilhelm II. abdankt und der Kronprinz die Nachfolge antritt. Schließlich ging er ins niederländische Exil. Formell verzichtete er am 1. Dezember 1918 auf seine Ansprüche. Für die Idee der Fortführung der Monarchie hätte wohl auch der Rückhalt in der Bevölkerung gefehlt. Der einflussreiche Presseoffizier Walter Bloem hatte bezüglich der medialen Darstellung schon 1917 geurteilt: „Wie viel geschieht in dieser Hinsicht für Hindenburg, wie wenig für den Kaiser, den Kronprinzen!“

1923 konnte der Kronprinz nach Deutschland zurückkehren. Ab 1919 lautete sein offizieller Name Wilhelm Prinz von Preußen. Cecilie war in der Heimat geblieben. Die Ehe hatte nur noch offiziell Bestand. Der nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Freistaat Preußen regelte 1926 per Gesetz den Streit mit dem vormaligen Königshaus über die offenen Vermögensfragen. 

Ansprüche des Hauses Hohenzollern beschäftigen auch gegenwärtig die Gerichte. Gegenstand sind die 1945 erfolgten Enteignungen durch die Sowjets. Die Person des Kronprinzen Wilhelm steht damit noch einmal im Mittelpunkt des Interesses. Die Forderungen wären gegenstandslos, hätte Wilhelm seinerzeit durch sein Agieren dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet. Bekannt ist, dass er einerseits auf Distanz zur NS-Bewegung und deren Protagonisten ging. Außer Frage steht aber auch, dass er sich verschiedentlich ausdrücklich für diese ausgesprochen hat. Ebenso, dass man sich bei den Nationalsozialisten die Prominenz des Kaisersohnes zunutze machen wollte, allerdings ohne ihm eine entscheidende Rolle zuzubilligen. 

Reichspräsidentenwahl 1932

1932 empfahl Wilhelm die Wahl Adolf Hitlers zum Reichspräsidenten. Ursprünglich war ihm selbst eine Kandidatur angetragen und von ihm auch in Erwägung gezogen, letztlich aber von seinem Vater untersagt worden. 

Umfangreiche Gutachten renommierter Historiker liegen vor, die gegensätzlicher nicht sein könnten. So urteilt Peter Brandt, Wilhelm habe „in vollem Bewusstsein und im Einverständnis mit dem Weg in die Diktatur“ gehandelt, „verbunden mit der Hoffnung auf einen prominenten Platz in den neuen Verhältnissen“. Dagegen erklärt Wolfram Pyta, der Kronprinz „verfolgte seit seiner Rückkehr nach Deutschland die Konzeption, eine Restauration der Monarchie mit Hilfe der Institutionen und verfassungsmäßigen Möglichkeiten des bestehenden Staatswesens anzustreben“. An der Seite Kurt von Schleichers – ein Jugendfreund Wilhelms und der letzte Reichskanzler vor Hitler – habe er dem NS-Regime entgegenzuwirken versucht. 

Der Kronprinz pflegte Verbindungen zum preußischen Finanzminister Johannes Popitz, einem führenden Mitglied des Widerstandes. In entsprechenden Planungen für die Zeit nach dem Ende des NS-Regimes war Wilhelm als Reichsverweser vorgesehen. 

Nach dem Kriegsende lebte er in Hechingen, wobei die französische Besatzungsmacht seine Bewegungsfreiheit zunächst stark beschränkte. Vor 70 Jahren, am 20. Juli 1951 ist der letzte deutsche und preußische Kronprinz gestorben.