24.04.2024

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Folge 28-21 vom 16. Juli 2021 / Nationalparks / Ansturm auf die Natur / Um der Lockdown-Isolation zu entkommen, strömen die Menschen ins Freie – Mit unangenehmen Folgen, wie Parkwächter berichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-21 vom 16. Juli 2021

Nationalparks
Ansturm auf die Natur
Um der Lockdown-Isolation zu entkommen, strömen die Menschen ins Freie – Mit unangenehmen Folgen, wie Parkwächter berichten
Stephanie Sieckmann

Die Natur braucht Schutz. Dafür zuständig sind Schutzgebietsbetreuer. Der erste Mann, der im Auftrag des Staates im Grünen nach dem Rechten schaute, hieß Harry Yount. Er war 1880 der erste Ranger, wie Naturwächter im Englischen heißen in den USA. Sein Einsatzort war der Yellowstone, der erste Nationalpark, der – im Jahr 1872 – in den USA ausgewiesen wurde. Seitdem hat sich die Aufgabe der Parkwächter stark gewandelt. 

Wer glaubt, die Wächter der Wälder hätten alle Zeit der Welt, um Neugierigen einmal ihre Tätigkeit in der freien Natur zu schildern, der irrt. Schulungen, Tagungen, Waldarbeiten, Borkenkäferbekämpfung – die Aufgaben können vielfältig sein. Dazu kommt: Die Arbeit eines sogenannten Schutzgebietsbetreuers ist seit Beginn der Corona-Pandemie nicht leichter geworden. Der Aufenthalt im Freien, in der Natur, ist so ziemlich das einzige, was die Bürger in den Monaten nach Ausbruch der Pandemie noch uneingeschränkt genießen durften. Vorausgesetzt, die Regeln wurden beachtet – also keine Gruppen bilden und nicht in Massen auflaufen. Die kleine Freiheit wurde intensiv genutzt. Und stellte die Schutzgebietsbetreuer vor ganz neue Herausforderungen.

Nationalpark oder Naturpark

Dann findet sich doch jemand, der gegenüber der PAZ von seinen Problemen vor Ort berichten möchte. Oliver Kaiser arbeitet im Naturpark Spessart und meldet sich aus seinem Urlaub. Er erzählt, dass in seinem rund 171.000 Hektar großen Gebiet drei Schutzgebietsbetreuer hauptamtlich in Vollzeit arbeiten. Bis vor zwei Jahren war das noch anders. Das Bundesland Bayern hat erst vor zwei Jahren beschlossen, dass hauptamtliche Naturwächter landesweit zum Einsatz kommen. Die Unterstützung durch das Land ermöglicht vieles. Trotzdem: Es gibt zu viele Aufgaben, zu viel zu tun und viel zu wenig Personal.

Ursprünglich standen bei den Rangern, wie sich die Naturwächter seit einigen Jahren auch in Deutschland nennen, die Aufgaben der Information und der Besucherlenkung im Vordergrund. Naturparks und Nationalparks weisen dabei Unterschiede auf. Entsprechend verschieden gestalten sich auch die Aufgaben der Ranger in den Gebieten. 

In Nationalparks gibt es Kernzonen, die nicht betreten werden dürfen. Den Besuchern stehen festgelegte Wege zur Verfügung, auf denen auch Führungen durchgeführt werden. Im Rahmen der Informationsvermittlung wird dabei die klassische Natur- und Landschaftsnutzung vermittelt. In Naturparks dagegen ist das Betreten weitgehend freigegeben. Das ist schön für die Besucher, bedeutet aber viel Arbeit für die Ranger. Denn das Verständnis für die Natur ist bei vielen Stadtmenschen nicht vorhanden. 

Corona-Flüchtlinge in der Natur

„Durch die Pandemie haben wir einen sehr großen Besucheransturm erlebt“, klagt Kaiser, „Das Problem dabei sind nicht nur Menschen, die in die Natur gehen und dort ihren Müll liegen lassen. Es beginnt bereits bei der Anreise. Wer in die Natur will, meint heutzutage, dass er mittendrin parken will und dann drei Schritte läuft bis zum See, dem Wanderweg oder dem Aussichtspunkt.“ Die Folge: Eine Blechlawine, die sich so weit  wie möglich ins Grüne hineinwälzt. Auch in diesem Punkt sind die Ranger gefordert. Sie müssen den Besucherandrang steuern, das Parkverhalten lenken – und machen sich dabei immer wieder unbeliebt. 

Sind die Besucher aus dem Pkw ausgestiegen, stehen für die Naturwächter die nächsten Aufgaben an. Den Menschen, die ins Grüne fahren, fehlt es oft an den grundlegenden Einsichten. Zum einen gibt es Schutzgebiete und sensible Entwicklungsgebiete, die grundsätzlich oder saisonal nicht betreten werden dürfen. Zum anderen ist es schlicht und einfach gefährlich, mit unpassendem Schuhwerk in der Natur unterwegs zu sein. Kaiser kann davon ein Lied singen. Besonders die sozialen Internetmedien erweisen sich bei der Arbeit der Schutzgebietsbetreuer zunehmend als Problem.

„Manchmal gibt es Vorkommnisse, die uns viel Arbeit machen. Wenn zum Beispiel jemand ein Selfie vor einem Wasserfall macht, kann es passieren, dass ein einzelnes Bild einen Besuchersturm auslöst“, berichtet Kaiser, „dann kommen auf einen Schlag Menschen, die diesen speziellen Bereich besuchen wollen.“ Dagegen können die Naturgebietsschützer kaum ankommen. 

„Wir hatten den Fall, dass jemand mit Flip-Flops den Wasserfall hochklettern wollte, um das optimale Bild aufzunehmen“, erzählt Kaiser, „dabei kann auch einmal ein Unfall passieren. Wir müssen dann schnell agieren, die Besucherlenkung entsprechend anpassen, ein Hinweisschild aufstellen oder schlimmstenfalls auch einen Bereich absperren.“ 

Souvenirs vom Ausflug ins Grüne sind seit einiger Zeit ebenfalls beliebt. „Wir haben einen Bereich, in dem immer wieder die Wegweiser entfernt werden. Und das, obwohl sie mit Spezialverankerungen angebracht werden“, so Kaiser. Für die Schutzgebietsbetreuer bedeutet das zum einen häufigere Kontrollen, zum anderen die Notwendigkeit, ständig neue Schilder anfertigen zu lassen und anzubringen. Arbeit, die überflüssig ist und Zeit raubt, die für die eigentlichen Aufgaben fehlt. 

Naturwächter Kaiser bleibt trotz allem zuversichtlich: „Die meisten Menschen sind sehr einsichtig, wenn man ihnen Zusammenhänge erklärt und aufzeigt, welche Konsequenzen ihr Verhalten für die Natur hat. Es gibt sehr viele gute Gespräche.“ 

Doch wie kann man möglichst schnell eine plötzlich auftretende Besuchermenge informieren? Kaiser: „Kontinuierliche Grundlagenarbeit ist für uns oberstes Gebot.“ Die Unterstützung der Schulbildung durch Projekttage für Grundschüler stellt deshalb einen wichtigen Teil der Arbeit für die Naturwächter dar. Das Ziel: Jeder Schüler soll den Naturpark seiner Region kennenlernen. Der Schutzgebietsbetreuer ist überzeugt: „Wer selbst mit nackten Füßen in einem Bachlauf unterwegs war und entdeckt hat, welche Vielfalt dort existiert, der geht mit seiner Umwelt verantwortungsvoller um.“