29.03.2024

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Folge 31-21 vom 06. August 2021 / Kampf ums Wasser Zwischenstaatliche Kriege um Süßwasser sind zwar grundsätzlich eher selten, aber in Afrika droht ein Krieg um das Nilwasser zwischen den Anrainerstaaten Äthiopien, Ägypten und Sudan / Ein trilateraler Streit ums Nilwasser / Äthiopiens Staudammpläne beunruhigen den Sudan und Ägypten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-21 vom 06. August 2021

Kampf ums Wasser Zwischenstaatliche Kriege um Süßwasser sind zwar grundsätzlich eher selten, aber in Afrika droht ein Krieg um das Nilwasser zwischen den Anrainerstaaten Äthiopien, Ägypten und Sudan
Ein trilateraler Streit ums Nilwasser
Äthiopiens Staudammpläne beunruhigen den Sudan und Ägypten
Wolfgang Kaufmann

Der Nil ist die Lebensader Nordostafrikas. Sein Einzugsgebiet erstreckt sich über zwölf Staaten. Die größte Bedeutung hat er für den Sudan, Äthiopien und Ägypten, das mehr als neun Zehntel seines Bedarfs mit Nilwasser deckt. 

Eingriffe in das Ökosystem des Flusses sind daher ein Politikum ersten Ranges. Das zeigt nun vor allem der Streit um den Großen Renaissance-Staudamm (GERD). Im Rahmen dieses 2011 in Angriff genommenen Infrastrukturprojekts entsteht eine knapp zwei Kilometer lange und 145 Meter hohe Staumauer am Blauen Nil in der westäthiopischen Region Benishangul-Gumuz unweit der Grenze zum Sudan. Das Befüllen des Stausees begann während der Regenzeit im vergangenen Sommer und soll noch bis 2029 andauern. Zum Schluss dürfte das Volumen des Speicherraums dann schließlich bei 74 Milliarden Kubikmetern liegen. Das entspräche knapp der doppelten Wassermenge des Bodensees.

Sisi spricht von „roter Linie“

Der Hauptzweck des Vorhabens besteht darin, Strom mittels Wasserkraft zu erzeugen. Deshalb ist geplant, 16 Turbinen in die Talsperre einzubauen, die zusammen bis zu 6000 Megawatt Leistung entwickeln könnten. Damit wäre die Deckung des kompletten Energiebedarfs von Äthiopien möglich, was endlich auch eine Industrialisierung des Landes mit seinen mittlerweile über 110 Millionen Einwohnern und sogar Stromexporte erlauben würde. 

Um die auf knapp fünf Milliarden US-Dollar geschätzten Baukosten für das größte Wasserkraftwerk Afrikas aufzubringen, hat die Regierung in Addis Abeba eine Lotterie veranstaltet und Anleihen herausgegeben. Darüber hinaus müssen alle Staatsbediensteten jährlich ein Monatsgehalt für das Bauvorhaben spenden. Da dies aber nicht ausreicht, übernahmen chinesische Banken nun die Finanzierung der Turbinen und Kraftwerksanlagen im Wert von 1,8 Milliarden US-Dollar.

Während sich das Staubecken langsam füllt, werden die Proteste im Sudan und Ägypten immer lauter. Die beiden Staaten fordern Garantien, dass Äthiopien nicht derart viel Wasser zurückhält, dass die Versorgung der Bevölkerung und die Bewässerung der Felder am Unterlauf des Nils erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. 

Zwar hat der äthiopische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed Ali 2018 anlässlich eines Staatsbesuches in Kairo „bei Gott“ geschworen, so etwas werde keinesfalls passieren, aber einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag wollte sein Staat bislang nicht unterzeichnen. 

Alles, was zurzeit existiert, ist die trilaterale Grundsatzerklärung vom 23. März 2015, gemäß der sich die Füllung des Staubeckens über mindestens sieben Jahre erstrecken soll. Dafür verweist Addis Abeba immer wieder auf die angeblichen Vorteile, die das Projekt dem Sudan und Ägypten bringen. Der Damm sei „ein Beschützer der Infrastruktur der flussabwärts gelegenen Länder vor dem Klimawandel“, denn er verhindere Überflutungen und Dürren, verkündete der äthiopische Wasserminister Seleshi Bekele. 

Außerdem sieht sich Äthiopien noch aus einem weiteren Grund im Recht. 1959 hatten Ägypten und der Sudan vereinbart, das Nilwasser im Verhältnis Zwei zu Eins untereinander aufzuteilen. Äthiopien war bei dieser Regelung außen vor geblieben – sollte also gar nichts erhalten. Insofern betrachtet es den Bau der Talsperre nun als Akt nationaler Notwehr.

Bomben gegen den Staudamm?

Vor diesem Hintergrund verkündete ein Regierungssprecher im Mai, Äthiopien werde „keinen Schritt tolerieren“, der den Füllprozess störe. Aber in Kairo ventiliert man nun offenbar Maßnahmen genau dieser Art, und mittlerweile halten manche Beobachter es sogar für möglich, dass die ägyptische Luftwaffe die Anlage zu bombardieren versucht. Immerhin sprach Ägyptens Staatspräsident Abd al-Fattah as-Sisi kürzlich martialisch von einer „roten Linie“, die Äthiopien mit dem weiteren Anstauen während der diesjährigen Regenzeit überschritten habe.

Die Fronten sind also momentan verhärtet und weder der inzwischen eingeschaltete UN-Weltsicherheitsrat noch die schon seit Längerem um Schlichtung bemühte Afrikanische Union scheinen in der Lage zu sein, effektiv zu vermitteln. 

Damit schlägt nun möglicherweise wieder einmal die Stunde Chinas, denn Peking gilt als neutral und ist mit allen drei betroffenen Staaten wirtschaftlich verbunden. Wenn die Volksrepublik den Konflikt entschärfen könnte, wäre dies ein Präzedenzfall ohnegleichen und ein weiterer Schritt Chinas auf dem Wege zur Weltmacht.