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Folge 31-21 vom 06. August 2021 / Islamkritik / Die Entwicklung des politischen Islam / Der Berliner Islamkritiker Ralph Ghadban berichtet in „Allahs mutige Kritiker“ darüber, wie sich seit dem Arabischen Frühling vor zehn Jahren immer mehr Menschen aus der Deckung herauswagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-21 vom 06. August 2021

Islamkritik
Die Entwicklung des politischen Islam
Der Berliner Islamkritiker Ralph Ghadban berichtet in „Allahs mutige Kritiker“ darüber, wie sich seit dem Arabischen Frühling vor zehn Jahren immer mehr Menschen aus der Deckung herauswagen
Bodo Bost

Der Berliner Islamwissenschaftler Ralph Ghadban sieht Islamkritik dank der modernen Medien in vielen arabischen Ländern im Aufwind. „Allahs mutige Kritiker“ wollen an die „Goldenen Frühzeiten“ des Islam anknüpfen, über die allerdings auch unter Wissenschaftlern noch Unklarheit besteht.

Ghadban hat im Arabischen Frühling ein bislang weitgehend verkanntes Potential von Religionskritik im Islam ausgemacht. Die vor zehn Jahren ausgebrochene Arabellion ist zwar als gesellschaftlicher Reformversuch gescheitert, aber sie hat im Netz unter den Bloggern und Youtubern der Gegenwart eine Menge neuer, mutiger Religionskritiker hervorgebracht, die sich auch mit Gewaltandrohung und Terror nicht mehr zum Schweigen bringen lassen. Diese wollen an die Zeit der islamischen Aufklärung des 8. und 9. Jahrhunderts, das goldene Zeitalter der islamischen Zivilisation, neu anknüpfen. 

825 entstand in Bagdad das beit al-hikma, das Haus der Weisheit, in dem griechische Werke ins Arabische übersetzt wurden. Eine nie dagewesene Öffnung gegenüber den Wissenschaften entstand, die aber nach wenigen Jahrzehnten mit Gewalt beendet wurde.

Seit dem 10. Jahrhundert gab es eine Gegenbewegung mit der Vereinnahmung der Religion durch die Politik, so Ghadban. Die Sunna übernahm die Macht. Vernunft wurde durch Frömmigkeit ersetzt. Die Rechtsprechung, die Scharia, ersetzte das theologische Denken. Eine strenge Pflichtenlehre, Unterwerfung und Gehorsam gegenüber den islamischen Autoritäten ersetzten den Koran. Dieser wurde von immer mehr „Sprüchen des Propheten“, den Hadithen, ergänzt. Die meisten dieser Dreiviertelmillion Hadithen wurden erfunden, um politische Machtansprüche und islamische Herrschaft zu legitimieren. 

Zurück zum Goldenen Zeitalter

Einige kritische Islamwissenschaftler hinterfragen heute sogar, ob der Islam überhaupt in Mekka und Medina entstanden oder ob er ein Konstrukt der späteren Geschichtsschreibung ist. Denn die Archäologie und Münzfunde lassen Zweifel aufkommen, ob Mekka wirklich der historische Ursprungsort des Islam war. Die älteste islamische Münze aus Mekka ist erst 200 Jahre nach der islamischen Zeitrechnung belegt, und das in einem angeblichen Handelszentrum. Nach Ghadban hat erst die spätere islamische Historiographie Mohammeds Wirken nach Mekka verlegt. Auch der Prophet könnte ein Konstrukt sein, um Machtansprüche islamischer Herrscher abzusichern. 

Ungenaue Quellen, unsichere Überlieferungsketten der Hadithen und Unwissenheit haben sich Kalifen und islamische Herrscher immer wieder zunutze gemacht, um ihre eigenen Machtansprüche zu begründen. Das hatte Folgen selbst im Koran. Die mekkanischen Suren der Frühzeit forderten noch ein friedliches Miteinander von Juden, Christen und Muslimen, die späteren medinensischen Suren sehen dagegen das Heil des Muslims allein in der Unterwerfung anderer. 

Ghadban, der bislang eher für seine wegweisenden Enthüllungen über die arabischen Clanstrukturen bekannt wurde, liefert mit seinem neuesten Buch äußerst interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des politischen Islam und liefert eindrückliche Belege für die bis heute weitverbreiteten innerislamischen Denkverbote, in dieser immer noch von der Politik in vielen Ländern instrumentalisierten Religion Islam. Seine Hauptquelle sind 80 Islamkritiker in den sozialen Medien aus der arabischen Welt, die er im Anhang seines Buches auflistet. 

Bislang wurden diese zukunftsweisenden Stimmen, die in ihren eigenen Ländern soweit es geht unterdrückt werden, auch im Westen zu wenig beachtet. Ghadban belegt einen hoffungsvollen, wenn auch vorerst nur digitalen Neuaufbruch in den arabischen Zivilgesellschaften, wo dank der modernen Medien der Islam eine Freiheit gefunden hat, die er in seiner bisherigen Geschichte noch nie hatte. 

Ralph Ghadban: „Allahs mutige Kritiker – Die unterdrückte Wahrheit über den Islam“, Herder Verlag, Freiburg 2021, gebunden, 320 Seiten, 22 Euro