19.04.2024

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Folge 31-21 vom 06. August 2021 / Bildersturm / Motive der Kulturzerstörung / Hermann Parzinger geht in seinem neuen Buch der historischen Dimension von Enteignung, Raub, Beschlagnahme und Verkauf von Kunstwerken nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-21 vom 06. August 2021

Bildersturm
Motive der Kulturzerstörung
Hermann Parzinger geht in seinem neuen Buch der historischen Dimension von Enteignung, Raub, Beschlagnahme und Verkauf von Kunstwerken nach
Helga Schnehagen

Mit „Verdammt und vernichtet“ widmet sich Hermann Parzinger dem Thema „Kulturzerstörungen vom Alten Orient bis zur Gegenwart“. Mit 19 Seiten Quellenverweisen, 31 Seiten Literaturangaben sowie ausführlichem Personen- und Ortsregister ist das Werk eine Fleißarbeit, die trotz der subjektiven Auswahl der behandelten Beispiele als neues Standardwerk zu bezeichnen sein dürfte.  

Von Haus aus Archäologe, ist Parzinger das Denken in großen Zeiträumen und Zusammenhängen vertraut. Daher gelingt dem renommierten Autor beim Ritt durch die Geschichte von Bildersturm und Denkmalsturz auch hier das Kunststück, komplexe Ereignisse knapp und plausibel darzustellen. Die gekonnte Reduzierung auf das zum Verständnis Wesentliche macht selbst ein derart umfangreiches Thema zum Lesevergnügen.

Wenn die Beispiele im Großen und Ganzen auch bekannt sind, offenbart sich trotz ihrer konsequenten Einordnung in den jeweiligen historischen, politischen, sozialen, religiösen und kulturellen Kontext, dass sich Kulturzerstörung häufig auf systematische Vermögensumverteilung durch Enteignung und Raub, Beschlagnahmung und Verkauf reduzieren lässt. Erst die Wertschätzung des Erbes der Menschheit und die Eröffnung von Museen eröffnete einen Weg zu seiner Rettung. 

Im Jahr 1793 wurde im Louvre das „Muséum Central des Arts“ eröffnet. In den Folgejahren wurde dort eine wachsende Anzahl von Kunstwerken ausgestellt, die in den Tagen des revolutionären Bildersturms und im Zusammenhang der napoleonischen Eroberungen ihre Besitzer wechselten. Ohne diesen Sinneswandel hätte die Rückgabe von 5233 Einzelobjekten aus der napoleonischen Beute 1815 an die einzelnen Länder nicht erfolgen können.

Als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und einer der drei Gründungsintendanten des Humboldt Forums ist Parzinger täglich selbst mit Fragen der Restitution beschäftigt. Im Fokus stehen aktuell die Benin-Bronzen aus der Ethnologischen Sammlung, deren Rückgabe zwar beschlossen wurde, über deren Dauerleihgaben in Berlin aber noch verhandelt wird. 

In der ausführlichen Schlussbetrachtung unterwirft Parzinger die genannten Beispiele noch einmal den verschiedenen Motiven der Kulturzerstörung. Mit dem Ausblick, dass sie kein Thema der Vergangenheit sind, sondern uns auch in Zukunft begegnen werden, endet sein Überblick wenig optimistisch.

Hermann Parzinger: „Verdammt und vernichtet. Kulturzerstörungen vom Alten Orient bis zur Gegenwart“, Verlag C.H. Beck, München 2021, gebunden, 368 Seiten, 29,95 Euro