25.04.2024

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Folge 32-21 vom 13. August 2021 / Politik / Ignoranz gegenüber Bürgern und Abgeordneten / Mit ihren jüngsten Beschlüssen verschärfen Karlsruhe und Berlin die Krise des Parlamentarismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-21 vom 13. August 2021

Politik
Ignoranz gegenüber Bürgern und Abgeordneten
Mit ihren jüngsten Beschlüssen verschärfen Karlsruhe und Berlin die Krise des Parlamentarismus
René Nehring

Nach fest kommt ab. An dieses alte Sprichwort aus der Welt der Handwerker mag man denken, wenn man dieser Tage in die politische Landschaft schaut. 

Da ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus der vergangenen Woche, dass der Rundfunkbeitrag rückwirkend zum 20. Juli auf 18,36 Euro steigen darf. Das Land Sachsen-Anhalt hatte der Erhöhung im vergangenen Jahr die Zustimmung verweigert und musste nun zur Kenntnis nehmen, dass „Karlsruhe“ der Meinung ist, dass die Landtage nur das „Recht“ haben, „Ja“ zu sagen. 

Obwohl erst wenige Tage zuvor der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Berichterstattung vor und während der tödlichen Hochwasserfluten im Westen Deutschlands versagte, obwohl laut einschlägigen Umfragen immer weniger Bundesbürger Vertrauen in die Berichterstattung von ARD und ZDF haben und viele insbesondere deren Neutralität anzweifeln, und obwohl der „Staatsfunk“ in Deutschland seit Jahren der teuerste der Welt ist, entschied das oberste deutsche Gericht, dass die Sender nicht nur machen können, was sie wollen (was man im Sinne der Rundfunkfreiheit vielleicht noch verstehen kann), sondern dass sie auch noch selbst bestimmen können, wie viel sie dafür den Bürgern in Rechnung stellen. 

Was die Karlsruher Richter freilich nicht bedacht haben, ist, dass durch die Abschirmung des Rundfunksystems gegenüber jedem Anstoß von außen auf lange Sicht Reformen nur noch möglich sind, indem man die Sender insgesamt infragestellt. Nach fest kommt – wie gesagt – ab.

Ein anderes „Weiter so“ vollzieht sich gerade in Sachen Corona. Obwohl inzwischen mehr als 50 Millionen Bürger – davon die Angehörigen aller Risikogruppen – vollen Impfschutz haben, obwohl es keine Überlastung des Gesundheitswesens gibt und angesichts der Impfzahlen auch keine absehbar ist, hat der „Corona-Gipfel“ keine Erleichterungen oder gar Abschaffung der Corona-Maßnahmen beschlossen, sondern Verschärfungen. Und obwohl stets betont wurde, dass es keine Impfpflicht gibt, wird nun allenthalben überlegt, wie man diese doch faktisch einführen kann. Dabei würde es doch reichen, wenn man allen Impfgegnern sagen würde, dass der etwaige Schaden einer Corona-Infektion ihr eigener wäre. 

Die Parlamentarier schweigen

Und obwohl die Demonstrationen gegen die Corona-Politik zu den größten Protesten in der jüngeren Geschichte unseres Landes zählen (die Teilnehmerzahlen sind ein Vielfaches höher als bei den „Fridays for Future“-Demos 2019) – und daran Bürger aus allen gesellschaftlichen Richtungen teilnehmen – fragt niemand aus dem Kreise der Verantwortlichen, was diese Menschen umtreibt. Stattdessen schweigen Politik und Medien, wenn die Berliner Polizei zum wiederholten Male hart gegen friedliche Demonstranten vorgeht. 

Was beide „Weiter sos“ verbindet, ist nicht nur das Ignorieren eines Großteils der Bürger, sondern auch des Parlamentarismus. In Sachsen-Anhalt war es ja nicht die Staatskanzlei, die missliebige Journalisten in die Knie zwingen wollte, sondern Abgeordnete, die im Sinne der Bürger die Notwendigkeit von „noch mehr Geld für die Sender“ hinterfragten – und die im Gegensatz zu den Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Volke gewählt sind. Auch in der Corona-Politik sind die Parlamente in Bund und Ländern seit Beginn der Pandemie als Entscheidungsinstanz weitgehend ausgeschaltet. Wenn überhaupt fällt ihnen allenfalls noch die Rolle des Abnickers zu. Erschreckend ist, wie schnell sich die Abgeordneten daran gewöhnt haben.

Dabei sind sie es, denen in der modernen Staatstheorie die Gesetzgebung zufällt. Und sie sind es, denen die Kontrolle der Regierung obliegt. Insofern ist es höchste Zeit, dass die Abgeordneten – gern parteiübergreifend – über ihr Selbstverständnis und etwaige Konsequenzen daraus nachdenken. Denn Parlamentarier, die sich in Grundsatzfragen zur Seite schieben lassen, braucht niemand.