24.04.2024

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Folge 32-21 vom 13. August 2021 / Transportwesen / Von der Trage zum Automobil / Was wären die Menschen ohne das Rad? Dessen Erfindung entfachte eine ungeahnte Dynamik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-21 vom 13. August 2021

Transportwesen
Von der Trage zum Automobil
Was wären die Menschen ohne das Rad? Dessen Erfindung entfachte eine ungeahnte Dynamik
Wolfgang Kaufmann

Seit Anbeginn seiner Existenz transportierte der Mensch Dinge von einem Ort zum anderen und bewältigte auch selbst größere Distanzen. Zunächst setzte er dabei Reit- beziehungsweise Tragtiere ein, später wurden Lasten teilweise mittels Rollen oder Schlitten fortbewegt. Dann kam es vor rund 6000 Jahren infolge der Erfindung des Rades zum ersten großen Innovationsschub im „Verkehrswesen“. Noch im Verlauf der Steinzeit begann der Homo sapiens nun, zwei- und vierrädrige Wagen aus Holz zu nutzen. 

Lange hieß es, solche Gefährte seien zuerst in Mesopotamien oder Vorderasien gebaut worden. Inzwischen gehen die Prähistoriker aber davon aus, dass das Primat hier wohl eher der nordischen Trichterbecherkultur zukommt, die bereits zwischen 3450 und 3300 v. Chr. Wagen verwendete. Wobei diese offenbar zunächst nur im Rahmen religiöser Riten zum Einsatz kamen und erst später alltagspraktische Bedeutung erlangten.

In der Bronze- und Eisenzeit erfolgten dann sukzessive Modernisierungen der Transportmittel. Zu den wichtigsten zählten dabei die Einführung beweglicher Achsen zur besseren Lenkung sowie leichterer Räder mit Speichen. Danach stagnierte die Entwicklung, obwohl Imperien wie das Römische Reich ein ausgedehntes Straßennetz schufen. So gab es dort im Jahre 100 n. Chr. bereits 65.000 Kilometer gepflasterter Straßen, womit bereits die Straßendichte im Imperium Romanum in etwa der Autobahndichte in der Europäischen Union von heute entsprach.

Neu war damals lediglich, dass durch die befestigten Straßen nun auch von Pferden gezogene Kutschen benutzt werden konnten, als deren Erfinder indes nicht die Römer, sondern die Kelten gelten. Andererseits musste der Bau von Straßen aber keineswegs zwingend zur Vervollkommnung der Verkehrsmittel führen, wie das Beispiel der Maya in Mittelamerika zeigt: Deren Sacbéob (Weiße Wege), welche sich manchmal über 100 Kilometer von Siedlung zu Siedlung zogen und eine Breite von bis zu zehn Metern hatten, dienten niemals dem Transport von Gütern oder Personen, sondern lediglich als Prozessionsstraßen.

Während des Mittelalters herrschten die gleichen primitiven Zustände wie zur Zeit der griechisch-römischen Antike. Man beschränkte sich auf den Einsatz von Reit- und Lasttieren, schweren Ochsenkarren und etwas leichteren Pferdekutschen sowie Schiffen für den Transport zu Wasser. Stimmen, wie die des Franziskaners Roger Bacon, welcher in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts davon träumte, „Karren zu bauen …, die sich bewegen und in Bewegung bleiben, ohne geschoben oder von irgendeinem Tier gezogen zu werden“, verhallten ungehört. 

Erstes Auto auf vier Rädern um 1670

Zumindest bis zum Aufkommen des Frühkapitalismus im 16. Jahrhundert. Dann machte die engere wirtschaftliche Vernetzung in Europa und die Zunahme des Fernhandels zwingend Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse nötig. Damit schlug jetzt auch die Geburtsstunde der selbstfahrenden Fahrzeuge. Pionier war hier wohl der flämische Jesuiten-Missionar Ferdinand Verbiest, welcher um 1670 das funktionsfähige Modell eines „Automobils“ mit Dampfantrieb baute und am Hofe des chinesischen Kaisers Kangxi in Peking vorführte. 

Den endgültigen Durchbruch brachte allerdings erst die Industrielle Revolution, die ab etwa 1760 von England ausging. Auf der einen Seite gab es nun ein bisher nie gekanntes, radikales Streben nach Effektivität, auf der anderen Seite eröffneten sich durch die 1769 von James Watt optimierte Dampfmaschine gänzlich neue Möglichkeiten. Nun konnte man die Muskelkraft von Tier und Mensch tatsächlich komplett durch Technik ersetzen und so quasi „Raum und Zeit vernichten“, wie Heinrich Heine den Vorgang später treffend beschrieb. Infolgedessen entstanden die ersten echten Dampfautomobile wie der „Fardier“ des französischen Artillerieoffiziers Nicholas Joseph Cugnot und die Straßenlokomotive „Puffing Devil“ des britischen Ingenieurs Richard Trevithick.

Gleichzeitig wurde der Straßenbau wieder intensiviert und auf ein höheres Niveau gehoben. Statt einfacher gepflasterter Pisten führten bald immer mehr akribisch geplante und solide gebaute, möglichst geradlinig geführte Chausseen beziehungsweise „Kunststraßen“, bei denen man nunmehr auch den Untergrund befestigt hatte, durch die Landschaft.

Trotzdem setzten sich die selbstfahrenden Straßenfahrzeuge mit Dampfantrieb seinerzeit noch nicht durch, weil deren Betrieb deutlich höhere Kosten verursachte als der von Pferdekutschen, welche zu Beginn des 19. Jahrhunderts immerhin mit zehn Stundenkilometern „dahinfliegen“ konnten. 

Dann brach im April 1815 der indonesische Vulkan Tambora aus und schleuderte derart viel Eruptionsmaterial in die Atmosphäre, dass 1816 auf der Nordhalbkugel zum „Jahr ohne Sommer“ geriet. Hierdurch gab es verbreitet Missernten, weswegen viele Pferde wegen Futtermangels starben oder notgeschlachtet werden mussten. Das bewirkte ein Umdenken, was die Attraktivität und Wirtschaftlichkeit von „Selbstfahrern“ aller Art betraf.

Den letzten Ausschlag für den Siegeszug des Automobils gab dabei die Erfindung und kontinuierliche Verbesserung des Verbrennungsmotors. Am 26. Oktober 1860 erhielt der aus Salzburg stammende Christian Reithmann mehrere Patente auf einen Viertaktmotor, die er alsbald an Nicolaus Otto veräußerte. Dessen Ottomotor wurde später von Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler zur Serienreife gebracht. Die erste Tour mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor unternahm allerdings Étienne Lenoir. Das „Hippomobile“ des gebürtigen Luxemburgers bewältigte im September 1863 die gesamte 18 Kilometer lange Strecke von Paris nach Joinville-le-Pont und zurück. 

Wirklich praxistauglich war erst der Patent-Motorwagen Nummer 1 des deutschen Automobilpioniers Carl Benz, der am 3. Juli 1886 in Mannheim der staunenden Öffentlichkeit vorgeführt wurde. Und mit dem Nachfolgemodell Benz Velo begann dann 1894 auch der Serienbau von Kraftfahrzeugen für den Verkauf an zahlende Kunden. Damit fand die Hauptphase der Revolutionierung des Transportwesens zu Lande jenseits der Schiene ihren vorläufigen Abschluss.