26.04.2024

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Folge 32-21 vom 13. August 2021 / Reisereportage / Modernste Technik versus Stagnation / Der Historiker und Ostasien-Experte Sören Urbansky erlebte auf seinen Reisen den Unterschied zwischen China und Russland in der Grenzregion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-21 vom 13. August 2021

Reisereportage
Modernste Technik versus Stagnation
Der Historiker und Ostasien-Experte Sören Urbansky erlebte auf seinen Reisen den Unterschied zwischen China und Russland in der Grenzregion
Dirk Klose

Nicht nur Weltumsegelungen, auch eine Fahrt in und durch Ostasien erlaubt Eindrücke und Erfahrungen, wie man sie sich in Europa kaum noch vorstellen kann. Der Historiker Sören Urbansky, der am Deutschen Historischen Institut in Washington über die Pazifikanrainer forscht, hat die riesige Region um den Amur bereist, der einzige große Strom Sibiriens, der nicht nach Norden fließt, sondern Richtung Osten zum Pazifik. Sein Buch ist eine gelungene, stilistisch und inhaltlich glänzende Mischung aus historischer Darstellung, politischer Reportage und spannendem Reisebericht. 

Vom russischen Irkutsk am Baikalsee reiste er in die Mongolei, weiter nach China, dann wieder nach Russland, durch die Mandschurei, erlebte hautnah die nordkoreanische Grenze, um dann über Chaba-rowsk in Wladiwostok zu landen. Das Wissen des Historikers verbindet sich mit der Neugier des Journalisten. Zu allen Regionen erfährt der Leser viele historische Hintergründe: die jahrhundertelangen Grenzstreitigkeiten zwischen Russland und China, die lange zwischen Russland, Japan und China umstrittene Mandschurei (Japan hatte hier ab den 1930er Jahren bis 1945 seinen Satellitenstaat Mandschukuo etabliert) sowie der Weg der Mongolei zum eigenständigen Staat.

Der perfekt russisch und chinesisch sprechende Autor kam mit unzähligen Menschen ins Gespräch, darunter Wirtschaftsbossen, Frauen, die sich und ihre Familien nur mit Mühe durchbringen, korrupten Bürokraten und verkappten Nationalisten, die die Menschen im jeweils anderen Land misstrauisch beäugen und – in China – vor Selbstbewusstsein gegenüber den Nachbarn nur so strotzen. Der Autor erlebte den Unterschied zwischen Russisch-Fernost und China-Nordost: hier allenthalben Stagnation und Stillstand, dort modernste Technik in Hochgeschwindigkeitszügen, neue Flughäfen, gepflasterte vier- und sechsspurige Straßen. 

Urbanskys vorsichtiges Fazit: Das Ungleichgewicht in Ökonomie und Demographie zwischen Russland und China wird immer größer und ist in der Region unmittelbar spürbar. Russland stehe sich selbst im Wege: „Die Bürokratie schadet Russland mehr als alle Sanktionen, sie erstickt jede Initiative“, sagte ihm ein Südkoreaner. Die mentale Kluft zwischen beiden Völkern scheint groß zu sein, trotz aller offiziellen Freundschaftsbeteuerungen. Wenn er eines auf seiner Fahrt gelernt habe, so resümiert der Autor, dann dies: „Je höher die Dichte der Freundschaftsbrücken, desto fremder sind sich die Nachbarn.“ 

Sören Urbansky: „An den Ufern des Amur. Die vergessene Welt zwischen China und Russland“, C.H.Beck Verlag, München 2021, gebunden, 376 Seiten, 26 Euro