26.04.2024

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Folge 33-21 vom 20. August 2021 / Bernstein / Vom Hausierer zum Millionär / Die Firma Stantien & Becker verhalf ihrem späteren alleinigen Eigentümer Moritz Becker zu Anerkennung und Vermögen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-21 vom 20. August 2021

Bernstein
Vom Hausierer zum Millionär
Die Firma Stantien & Becker verhalf ihrem späteren alleinigen Eigentümer Moritz Becker zu Anerkennung und Vermögen
Wolfgang Kaufmann

Der industrielle Abbau von Bernstein in Ostpreußen ist untrennbar mit dem Namen des Unternehmers Moritz Becker verbunden. Der Sohn armer jüdischer Eltern, der am 1. Mai 1830 in Danzig geboren worden war, schlug sich zunächst als Hausierer und Kaufmann durchs Leben, bis er auf den Memeler Gastwirt Wilhelm Stantien traf, der damals die Bernsteinvorkommen bei Prökuls ausbeutete. Die beiden gründeten 1858 die Firma Stantien & Becker, welche die Bernsteinförderung revolutionieren sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das „Gold Ostpreußens“ mit höchst primitiven Methoden gewonnen: Durch Auflesen am Strand, Schöpfen aus der Brandung, Stechen vom Meeresgrund oder kleinere oberflächliche Grabungen am Ufer. Daher betrug die jährliche Ausbeute entlang der Bernsteinküste auch nur fünf bis 30 Tonnen pro Jahr.

Die Begegnung mit Wilhelm Stantien ist für Moritz Becker ein wahres Glück

1861 verpachtete der preußische Staat sein Monopol auf die kommerzielle  Bernsteingewinnung an die Firma Stantien & Becker. Diese begann daraufhin 1862 mit der Bernsteinbaggerei im Kurischen Haff bei Schwarzort, welche sich als sehr lu­krativ erweisen sollte, sodass bald eine ganze Flotte von 22 Baggern und 45 Lastkähnen zum Einsatz kam. Bis 1883 stieg die Fördermenge hier von 17 auf 75 Tonnen.

Ab 1868 beschäftigten Stantien und Becker zusätzlich auch noch Bernsteintaucher. Zwei Jahrzehnte lang wurden 50 Tauchboote mit insgesamt 300 Mann Besatzung ausgesandt, um das fossile Harz vom Meeresgrund zu bergen. Der Ertrag dieser Art der Bernsteingewinnung war allerdings weniger hoch: Er sank schnell von 14 Tonnen auf nur mehr zwei Tonnen pro Jahr. Deshalb wurde das Bernsteintauchen 1891 komplett eingestellt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die bergmännische Förderung des damals sehr begehrten Rohstoffs bereits als lu­krativste Methode erwiesen. Deren Geschichte begann 1870 mit der Einrichtung eines Tagebaus am Strand von Warnicken, dem 1873 ein zweiter in der Nähe des Rittergutes Palmnicken folgte. Hier, wo der Bernstein teilweise 15 Meter unter Normalnull in der Blauen Erde lagert, entstand 1875 mit der Grube Henriette auch der erste Tiefbau zur Bernsteingewinnung. Dessen Ausbeute lag sogleich bei 85 Tonnen pro Jahr. Aufgrund dessen ließen Stantien und Becker 1883 zusätzlich auch die Grube Anna nördlich des Kraxtepeller Fließes anlegen, die sich als noch ertragreicher erweisen sollte.

Becker wird alleiniger Inhaber

Die Firma Stantien & Becker, welche ihren Sitz um 1875 von Memel nach Königsberg verlegte, avancierte bis 1890 zum größten Industrieunternehmen in Ostpreußen und beschäftigte rund 2000 Arbeiter. Stantien kümmerte sich dabei um die technischen Aspekte, während Becker die kaufmännische Leitung innehatte. Später verkaufte der ehemalige Gastwirt dann seine Unternehmensanteile für wahrscheinlich zwei Millionen Mark an Becker, der so zum alleinigen Inhaber der Firma aufstieg. Dem folgte der Aufbau eines weltweiten Vertriebsnetzes für den Bernstein mit Niederlassungen beziehungsweise auch Verkaufsläden in ganz Europa sowie Bombay, Hongkong, Schanghai, Tokio, Kairo und New York.

Der preußische Staat profitierte vom unternehmerischen Erfolg der Firma Stantien & Becker durch die kontinuierlich wachsenden Zahlungen für die Verpachtung seines Bernsteinregals. Wobei der Anstieg aus den zunehmenden Fördermengen resultierte. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts betrugen diese nun manchmal schon 500 Tonnen – so beispielsweise 1894. Während Stantien und Becker 1862 noch 27.000 Mark an den Fiskus zu überweisen hatten, lag die Pachtsumme 1898 dann bereits bei 827.000 Mark. Daher war Becker beim preußischen König überaus gut angesehen und avancierte nach und nach bis zum Geheimen Kommerzienrat. 

Das Monopol zieht Neider an

Allerdings hatte er auch Feinde, denen sein faktisches Monopol ein Dorn im Auge war. Und diese sorgten schließlich dafür, dass 1896 ein Monopolprozess gegen Becker eröffnet wurde. Nicht zuletzt deshalb entschloss sich der Unternehmer 1899 dazu, alle seine industriellen Anlagen und Grundstücke in Ostpreußen mitsamt des firmeneigenen Bernsteinmuseums an den preußischen Staat zu verkaufen. Der Landtag bewilligte hierfür eine Summe von 9,75 Millionen Reichsmark. Ob diese zur Gänze floss, ist unbekannt. Auf jeden Fall war Becker 1900 einer der reichsten Männer Deutschlands: Sein Vermögen belief sich auf geschätzte 14,5 Millionen Mark.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts steckte er alle Energie in den Ausbau des ebenfalls ihm gehörenden Goldbergwerkes im böhmischen Roudný, wo seit 1896 fast 112 Kilogramm Feingold gewonnen worden waren. Moritz Becker starb am 25. August 1901 während eines Kuraufenthaltes im Ostseebad Heringsdorf auf Usedom.

Der preußische Staat betrieb die ehemalige Firma Stantien & Becker bis 1919 unter dem Namen „Königliche Bernsteinwerke Königsberg“ fort. Danach lautete die Bezeichnung „Staatliche Bernsteinwerke“ und ab 1924 „Preußische Bergwerks- und Hütten AG, Zweigniederlassung Bernsteinwerke Königsberg i. Pr.“ Dieses Unternehmen existierte bis 1945 und wurde im Anschluss an die sowjetische Annexion des nördlichen Ostpreußen in das „Bernsteinkombinat Nr. 9“ umgewandelt.