26.04.2024

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Folge 33-21 vom 20. August 2021 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-21 vom 20. August 2021

Für Sie gelesen

Kainsmal Anbiederung

Über den Zusammenbruch der SED-Diktatur gibt es viele Bücher, jedoch kaum eins über das Verhalten der Bundesrepublik in jenen Jahrzehnten der Trennung. Verständlicherweise, denn es war kein Ruhmesblatt.

Umso mehr ist Uwe Lehmann-Brauns Buch „Wandel durch Anbiederung“ zu begrüßen, das in seltener Offenheit den Westdeutschen fehlende Kraft und auch mangelnde Moral vorwirft, die Spaltung ihres Landes zu ihrem Hauptproblem gemacht zu haben – kein anderes Volk hätte sich wohl so verhalten. Selbst die Erschossenen der Berliner Mauer waren kein Thema mehr, der Ruf nach Wiedervereinigung wurde als utopisch disqualifiziert. 

Ein leidenschaftlicher Verfechter der Spaltung ähnlich wie Oskar Lafontaine war Hans-Joachim Vogel. Vergeblich sucht der Leser auch bei Richard v. Weizsäcker nach Worten gegen das DDR-System. Harte Worte gegen die deutsche Einheit kamen auch von Johannes Rau, Walter Momper, Horst Ehmke und sogar von Klaus Bölling, der die in der Grundgesetz-Präambel festgeschriebene freie Selbstbestimmung aller Deutschen verneinte.

Völlig zu Recht fordert der Autor von der SPD die Aufarbeitung ihrer Geschichte in dieser Zeit. Oft muss das Wort Brandts vom „Zusammenwachsen“ herhalten. Er meinte damit indes nicht unser Land, er sprach sich noch im Dezember 1989 in Rostock gegen die deutsche Einheit aus. 

Ausführlich analysiert der Verfasser Egon Bahrs dynamische Worte vom „Wandel durch Annäherung“, die tatsächlich aber keine der beiden Verheißungen brachten und in Wahrheit auch keine Einheit Deutschlands anstrebten. Aus Bahrs „Wandel“ wurde allzu oft und mehr und mehr ein Sich-anbiedern an die Forderungen Ho-neckers.

Ein Franz-Josef Strauß erreichte zwar das bekannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Vereinigungsanspruch des Grundgesetzes nicht aufgegeben werden dürfe, doch über Maueropfer und die deutsche Einheit zu sprechen, fehlte ihm bei sonst so oft harten Worten der Mut. Einem Graf Lambsdorff war die Forderung vorbehalten, die bundesdeutschen Medien sollten Berichte über „Zwischenfälle“ an der Mauer unterlassen – ein Kainsmal westdeutscher Anbiederung an die Mächtigen der SED-Diktatur. 

Der einzige wichtige Politiker, der in all den Jahrzehnten am Verfassungsauftrag der Einheit Deutschlands festhielt und die Freiheit als Kern der deutschen Frage ansah, war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Seine Worte beim Empfang Honeckers in Bonn sind unvergessen. Dass er indes die Zeichen der Zeit nicht früh genug erkannte und sie erst bei seinem Dresden-Besuch im Dezember 1989 sah, verschweigt der Autor allerdings. 

Nach seiner Ansicht haben wir zwar die Vereinigung, doch die innere deutsche Einheit ist immer noch nicht vollzogen. Voraussetzung dafür wäre eine offene Aufarbeitung und Selbstreflexion. 

Friedrich-Wilhelm Schlomann

Uwe Lehmann-Brauns: „Wandel durch Anbiederung“, Lukas-Verlag, Berlin 2020, broschiert, 192 Seiten, 19,80 Euro