18.04.2024

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Folge 33-21 vom 20. August 2021 / Der Wochenrückblick / Die Verantwortlichen / Was Merkel interessiert, und wieso Maas ihr so ähnlich ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-21 vom 20. August 2021

Der Wochenrückblick
Die Verantwortlichen
Was Merkel interessiert, und wieso Maas ihr so ähnlich ist
Hans Heckel

Wenn Bilder mehr sagen als Worte: Haben Sie die Verteidigungsministerin gesehen, als sie am Montag zum afghanischen Albtraum befragt wurde? Annegret Kramp-Karrenbauer sah aus, als sei sie gerade beim Ladendiebstahl erwischt worden. Der Kopf schwankte unsicher herum, die Stimme lau und säuselig, während ihr Blick unstet umherschweifte, als wolle sie nur schnell dieser peinlichen Situation entkommen.

„Wie bin ich nur hier reingeraten?“, schien sich die arme Frau zu fragen. In ihrer Überforderung konnte sie einem fast leidtun. Ja, aber die Frage ist trotzdem gar nicht so schlecht: Wie ist „AKK“ da nur reingeraten? In ein Amt, dem sie in keiner Weise gewachsen ist, was in der ernstesten Stunde ihrer Amtszeit offensichtlicher wurde denn je.

Das kam so: Angela Merkel war nach dem Einbruch der CDU bei der Bundestagswahl 2017 ein bisschen unter Druck geraten und wollte Ballast abwerfen. Also sollte den CDU-Vorsitz jemand anderes übernehmen. Aber nur jemand, so hatte sich die Kanzlerin das ausgedacht, der dermaßen weich und unfähig ist, dass sie, Merkel, das Heft in der Partei trotzdem in der Hand behält.

Die Wahl traf auf Kramp-Karrenbauer. Um ganz sicher zu gehen, holte Merkel die Nachfolgerin im Parteivorsitz einige Monate später sogar noch in ihr Kabinett. Da durfte es aber nur ein Posten sein, der keinen großen Einfluss auf die Bundespolitik verspricht und zudem regelmäßig Probleme aufwirft, mit denen Merkel die neue CDU-Chefin bei Bedarf in die Enge drücken könnte. Das Verteidigungsministerium schien da ideal.

Bald stellte sich indes heraus, dass Merkel übers Ziel hinausgeschossen war bei der Auswahl des neuen CDU-Chefs. „AKK“ war nicht nur handzahm, sie war dermaßen unfähig, dass sie dem Posten gar nicht standhielt. Aber Verteidigungsministerin durfte sie ruhig bleiben. Für die Bundeswehr interessiert sich die Kanzlerin ohnehin einen feuchten Kehricht. Dafür war die gescheiterte Parteichefin allemal gut genug.

In diesen Tagen verband sich das politische Geschick von Kramp-Karrenbauer auf tragische Weise mit ihrem kongenialen Kabinettskollegen Heiko Maas vom Auswärtigen Amt. Die Bräsigkeit der einen und die schnöselige Inkompetenz des anderen bildeten die Führung bei der desaströsen Evakuierungsaktion in Kabul. Und so lief es dann auch – soll heißen: schief. Da sich Angela Merkel wie bei fast jeder politischen Frage nur dafür interessierte, wie sie selbst dabei wegkommt, ließ die Kanzlerin die beiden Stümper stümpern, bis es zu spät war.

Im Unterschied zu „AKK“ sind Maas und Merkel aber zumindest echte Profis auf ihrem eigentlichen Gebiet, nämlich: Wie man dafür sorgt, für nichts verantwortlich gemacht zu werden, das man selbst verbaselt hat. Die Geistesverwandten hatten ihre Ausreden aus dem Afghanistan-Desaster offenbar eng abgesprochen, weshalb sie vergangenen Montag im Abstand von kaum zwei Stunden beide genau das Gleiche vorschützten, um sich moralisch und politisch davonzuschleichen: Ja, ja, das sei schon bitter gelaufen in dem Land am Hindukusch. Aber die Fehler hätten wir ja „alle“ gemacht – die westlichen Regierungen, die Geheimdienste und so weiter. Guter Winkelzug, denn merke: Wo „alle“ verantwortlich sind, da ist es keiner. Also sind die beiden fein raus.

Und am Abend ein breites Lachen

Schwer erleichtert durch ihre gelungene Flucht aus der Verantwortung gönnte sich Merkel im direkten Anschluss an ihre montagabendliche Ansprache einen heiteren Kinobesuch. Wie sehr die Kanzlerin mit den Menschen in Afghanistan oder mit den Hinterbliebenen der gefallenen deutschen Soldaten mitfühlt (ein Gefühl, das sie in ihrer Rede noch einmal ausdrücklich hervorhob), konnte ganz Deutschland dann am Dienstagmorgen in den Medien bestaunen. Dort sahen wir die breit lachende Merkel bei einer Filmpremiere.

Zur gleichen Zeit bangten Tausende zurückgelassene afghanische Ortskräfte um ihr Leben und das ihrer Familien. Ist das eine gute Zeit, um als deutsche Regierungschefin ein fröhliches Lachen in die Welt zu schicken? Ach was, ihre Erklärung für die Medien hatte sie ja abgegeben – aus dem Gesabbel, aus dem Sinn mit diesen Leuten da hinten irgendwo in Asien. 

Ironischerweise ging es in dem Film „Die Unbeugsamen“ um den Kampf bundesdeutscher Politikerinnen um ihre Stellung in der männerdominierten Frühphase der Bundesrepublik. Die afghanischen Frauen, die nun in die Hölle des „Kalifats“ zurückfallen, wird das sicher Verständnis abringen für das Lächeln der deutschen Kanzlerin. Oder nicht? Nun ja. Bundeskanzler Helmut Schmidt setzte 1977 sein ganzes politisches Schicksal in die Befreiung von Terroristen-Geiseln. Für den Fall, dass deren von ihm befohlene Befreiung aus der Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu schiefgelaufen wäre, hatte er sein Rücktrittsgesuch bereits fertig auf dem Schreibtisch liegen, weil er die Verantwortung übernommen hätte. Solch einem Risiko hätte Merkel ihre politische Karriere niemals ausgesetzt, für sie sind wir lieber „alle“ verantwortlich.

Die „unbeugsamen“ Pionierinnen der bundesdeutschen Politik haben Anerkennung verdient. Aber ob Frauen an der Spitze auch immer besser sind für die Frauen, deren Schicksal von den Entscheidungen jener Spitze abhängt, ist nicht ausgemacht. Vielleicht ist es doch weniger das Geschlecht als der Charakter der Führer, der am Ende über Leben und Tod der Leidtragenden entscheidet, egal, ob männlich oder weiblich.

Aber was soll das? Die Leidtragenden? Wen interessieren die? Für Merkel, Maas und Politiker ihres Schlages ist es viel entscheidender, ob ein Ereignis etwas für sie abwirft oder nicht. Das haben sie auf dem Marsch durch die Gremien der Parteien, auf ihrem unbeugsamen Weg nach oben gelernt: Ein Thema ist nur wichtig, wenn man den Gegner damit beharken und selbst Honig daraus saugen kann. Die Interessen des Landes? Gar der „Menschen“? Das ist was für Reden und weihevolle Ermahnungen, nicht für die Politik.

Für die verzweifelten afghanischen Ortskräfte, die seit acht bis zehn Wochen schon in Kabul auf ihre Evakuierung hofften und darum bettelten, war im Wahlkampfplan eben keine tragende Rolle zu finden. Also, wen scherten die? Genau: niemanden.

Jetzt, da die im Stich Gelassenen plötzlich die Nachrichten beherrschen, sieht das natürlich ganz anders aus. Nun wollen die (Un-)Verantwortlichen alles Erdenkliche unternehmen. Dabei betonen sie immer, dass sie „das“ leider nicht vorausgesehen hätten. „Was“ aber genau haben sie nicht vorausgesehen? Das Schicksal dieser Menschen? Nein, das rührt sie offenkundig wenig. Nicht vorausgesehen haben sie, dass deren entsetzliche Lage einmal so viel Raum in den Medien einnehmen könnte, was die Sache für die Politiker wirklich anstrengend macht. Hätten sie „das“ vorausgesehen, wären sie möglicherweise viel früher aktiv geworden.