24.04.2024

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Folge 34-21 vom 27. August 2021 / Hilfen für Kiew / Zweifelhafte Geschäftsmodelle für die Ukraine / Zum Ausgleich für Nord Stream 2: EU-Kommission und Deutschland verfolgen Pläne, das Land zum Energielieferanten für die eigene Wirtschaft zu machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-21 vom 27. August 2021

Hilfen für Kiew
Zweifelhafte Geschäftsmodelle für die Ukraine
Zum Ausgleich für Nord Stream 2: EU-Kommission und Deutschland verfolgen Pläne, das Land zum Energielieferanten für die eigene Wirtschaft zu machen
Hermann Müller

Seit dem Assoziierungsabkommen profitiert die Ukraine wie kein anderes Land außerhalb der EU von Finanzhilfen aus den Brüsseler Töpfen. Der von der EU-Kommission und der Bundesregierung verfolgte Plan, die Ukraine zum Energielieferanten für die europäische Wirtschaft zu machen, droht Kosten zu verursachen, die sich langfristig in ganz anderen Dimensionen bewegen. Abermals scheint den deutschen Steuerzahlern dabei eine Rolle als Zahlmeister zugedacht zu sein.

Aufschlussreich ist bereits, was die Bundesregierung der Ukraine quasi als Trostpflaster bietet, um die Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2 fertigstellen zu können. Die Bundesregierung will sich unter anderem dafür einsetzen, parallel zu den Lieferungen über Nord Stream 2 die Transitlieferungen von russischem Erdgas über ukrainisches Gebiet auch nach 2024 nochmals zehn Jahre weiterlaufen zu lassen.

Dies soll der Ukraine auch nach Auslaufen der bisherigen Verträge zumindest in reduziertem Umfang weiterhin Einnahmen für die Durchleitung von russischem Erdgas nach Mitteleuropa sichern. Zudem wollen die USA und Deutschland bis zu einer Milliarde US-Dollar für einen sogenannten Grünen Fonds bereitstellen. Mit diesem Fonds wollen die beiden Regierungen die Ukraine beim Übergang hin zu Erneuerbaren Energien unterstützen. Als Anfangsinvestitionen hat sich die Bundesregierung verpflichtet, in den Fonds 175 Millionen US-Dollar einzuzahlen. Darüber hinaus ist geplant, dass Deutschland auch noch einen Sondergesandten ernennt, der sich um bilaterale Energieprojekte mit der Ukraine kümmern soll. Auch diesem Sondergesandten sollen 

70 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden. Im Kern zielen diese Punkte darauf ab, die Ukraine zum Wasserstofflieferanten für Deutschland und die EU zu entwickeln. Insbesondere die schwarz-rote Bundesregierung favorisiert dabei „grünen“ Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser mit Hilfe erneuerbarer Energien hergestellt wird.

Es besteht allerdings ein recht hohes Risiko, dass sich in großen Dimensionen auf dem Energiesektor wiederholt, was in den letzten Jahren bereits auf dem Markt für landwirtschaftliche Bio-Produkte zu beobachten war. Die hohe Nachfrage in Westeuropa hat dazu geführt, dass insbesondere bei Getreide und Futtermitteln immer öfter ukrainische Produzenten Öko-Ware anbieten. Bei Kontrollen fielen allerdings erstaunlich oft Unregelmäßigkeiten auf. Beim Export via Türkei wurde beispielsweise Öko-Ware mit herkömmlich produzierter Ware vermischt. In anderen Fällen tauchten in Futtermitteln, die aus der Ukraine für deutsche Öko-Landwirte importiert wurden, Pestizide auf. Solche Erfahrungen führten Ende 2015 dazu, dass die EU-Kommission die Empfehlung aussprach, Importe aus der Ukraine bei der Einfuhr in die EU besonders zu überprüfen.

Angesichts solcher Erfahrung sowie der grassierenden Korruption und Misswirtschaft im Land könnten auch die Wasserstoffpläne von umfangreichem Etikettenschwindel begleitet sein. Auffällig oft wird in der hiesigen Berichterstattung darauf verwiesen, wie groß das Potential der Erneuerbaren Energien in der Ukraine sei. Derzeit sieht die Realität allerdings noch völlig anders aus. Öko-Strom aus Windkraftanlagen und Photovoltaik spielt mit vier Prozent am Strommix der Ukraine nur eine unbedeutende Rolle. Rund 88 Prozent des ukrainischen Strombedarfs decken noch immer Kohle- und Atomkraftwerke. Durchaus naheliegend ist, dass die Ukraine auf absehbare Zeit eher wenig „grünen“ Wasserstoff aus Wind-und Solarstrom liefern wird, sondern Wasserstoff, der mit Hilfe von Kernkraft- und Kohlekraftwerken produziert wurde. Die EU-Kommission könnte dabei zumindest verbuchen, dass etwaige Kohlendioxid-Emissionen nicht der EU zugerechnet werden.

Öko-Stromsektor vor einem Kollaps

Nach dem Modell anderer Öko-Projekte würden die Belastungen externalisiert. Der ohnehin sehr kleine Öko-Stromsektor der Ukraine stand zudem auch noch vor einigen Monaten vor einem Kollaps. Ähnlich wie in Deutschland wird die Bereitstellung erneuerbarer Energien seit 2017 auch in der Ukraine per Gesetz gefördert. Instrument dazu ist ein staatseigenes Unternehmen, das am Strommarkt zu festgesetzten Preisen als Garantie-Abnehmer auftritt. Im Laufe des vergangenen Jahres waren die Schulden dieses Versorgers gegenüber den Produzenten von Öko-Strom allerdings so stark angewachsen, dass die Situation eskalierte. Dutzende Firmen reichten Klagen gegen den staatlichen Stromaufkäufer ein, um vom Staat ihr Geld zu bekommen. Im November 2020 verfassten die Botschafter von elf Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien, sogar einen offenen Brief an den ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal, um die Begleichung der Schulden bei den ausländischen Investoren einzufordern. Zumindest bei Privatinvestoren dürfte sich nach solchen Erfahrungen die Neigung in Grenzen halten, sich weiterhin beim Bau neuer Windkraftanlagen und Solarparks in der Ukraine zu engagieren.

Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass letztendlich die EU oder auch der deutsche Staat mit Garantien oder direkten Investitionen für die ukrainische Energiewirtschaft in die Bresche springen.