29.03.2024

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Folge 34-21 vom 27. August 2021 / Östlich von Oder und Neiße / Am Anfang der Empathie stand ein Streich / Deutsche und polnische Oberschlesier spenden für Deutsche in den Flutgebieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-21 vom 27. August 2021

Östlich von Oder und Neiße
Am Anfang der Empathie stand ein Streich
Deutsche und polnische Oberschlesier spenden für Deutsche in den Flutgebieten
Chris W. Wagner

Wasser, Schlamm, angeschwemmter Unrat, stilles Leid der Betroffenen – das sind Erinnerungen, die Arnold Drechsler nie vergisst. Diese Bilder begleiten ihn im Angesicht der Flutkatastrophe, die Deutschland diesen Sommer ereilte, besonders stark. Er empfindet nicht nur als Geistlicher Empathie für die Flutopfer, sondern auch, weil er 1997 ähnliches bei der Überschwemmung an der Oder erlebte. 

Auf Oberschlesier kann man zählen

„Ich habe bis heute einen Trauma von damals. Es war Ende Juni, Anfang Juli und zwei Monate lang haben wir von der Caritas-Zentrale aus pausenlos Tag und Nacht Hilfe geleistet“, erinnerte sich der aus Sakrau [Zakrzów] bei Cosel stammende Caritas-Direktor. „Etwa 14.000 Familien waren damals in der Diözese Oppeln betroffen. Und dann folgte eine weitere Flut – die der Spenden und Hilfeleistungen, vor allem aus Deutschland“, sagte er. „Unsere Diözese gehörte zu den am stärksten betroffenen polenweit. Wir waren auch die ersten, die überflutet wurden, und diese traumatischen Bilder begleiten mich bis heute“, sagte Drechsler, der die Oppelner Caritas seit deren Gründung vor 

29 Jahren leitet. Diese Erinnerungen sind Motivation für ihn, sich mit einer Spendenaktion des Oppelner Bischofs Andrzej Czaja besonders zu engagieren. „Erinnerungen kann man positiv in eine Solidaritätsaktion umwandeln. Wir haben ein Motto in der Caritasarbeit: Nur wer Hilfe leistet, darf Hilfe erwarten. Und wir haben sehr viel Hilfe bekommen. Auf uns lastet eine Pflicht dieses zurückzugeben“, so seine Begründung. 

Unter dem Motto „Überflutung in Deutschland“ wird im Rahmen der Caritas-Aktion derzeit in den Gemeinden Geld gesammelt. Umgerechnet 87.000 Euro sind bereits gesammelt worden. Das Geld stammt aus 300 Pfarreien. Spenden aus 100 weiteren Kirchgemeinden stehen noch aus. Das Geld geht an die Caritas Deutschland und wird von dort aus verteilt. „Oppelner Bürger und unsere Gläubige aus der Diözese Oppeln sind sehr spendenbereit und solidarisch“, bestätigte Drechsler. Empathie gegenüber Menschen in Not haben sie bereits 2002 bewiesen. Damals waren Menschen in Tschechien und Deutschland betroffen. Seinerzeit konnte die Caritas umgerechnet 133.000 Euro sammeln. Hinzu kamen Spenden, Sachspenden und Lebensmittel von Firmen und Unternehmen aus der Region, die weitere 32.000 Euro ausmachten.

Für Drechsler gehören die Deutschen zu den spendenfreundlichsten Nationen der Welt. Und auch auf die Oberschlesier könne man zählen, sagte er. „Wenn es um Großzügigkeit geht, steht unsere Diözese immer auf dem Podium. Wir müssen uns nicht schämen, denn unsere Gläubigen sind sehr spendenbereit und solidarisch und fühlen Empathie“, sagte der Geistliche, der aus einer deutschen Familie stammt und Deutsch zu Hause gelernt hat. 

Die Spendenaktion der Oppelner Diözese läuft weiter. Doch Spenden einzuholen ist bei Weitem nicht die einzige Aufgabe der Caritas. Zu den wohl wichtigsten Säulen der sozialen Tätigkeit zählen die Pflegestationen, in denen meist Alleinstehende in Dörfern und Kleinstädten betreut werden. 

Die erste Station ist vor fast 30 Jahren in Groß Döbern [Dobrzeń Wielki] entstanden, mittlerweile sind es 54. In der Caristas-Zentrale in Oppeln wurde eine Wasch- und Betreuungsstation für Obdachlose eingerichtet, die „den Menschen durch Wasser, Hygienemittel und saubere Wäsche ihre Würde zurückgibt“, sagte Artur Wilpert, der als erster Wehrdienstverweigerer der Woiwodschaft seinen Dienst bei der Caritas geleistet hat und bis heute dort arbeitet.

„Wir bereiten uns auf unser Jubiläum nächstes Jahr vor. Es ist auch mein privates Jubiläum, denn vor 30 Jahren hat mich Erzbischof Alfons Nossol zum Leiter der Caritas Oppeln gemacht. Damit wollte er meine Ausreise in die Bundesrepublik verhindern“, schmunzelt Drechsler, der jedoch heute für den „Streich“ des Bischofs dankbar ist.