25.04.2024

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Folge 34-21 vom 27. August 2021 / USA / Demokratie und Machtpolitik / Der Autor Michael Lüders warnt vor transatlantischen Illusionen und fordert von Europa mehr Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-21 vom 27. August 2021

USA
Demokratie und Machtpolitik
Der Autor Michael Lüders warnt vor transatlantischen Illusionen und fordert von Europa mehr Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein
Dirk Klose

Wie der Titel ist das ganze Buch. Es ist ein teils polemisches, dann wieder mit bedenkenswerten Thesen argumentierendes Buch, das den Leser schon nach wenigen Seiten zur Frage nötigt: „Wie hältst du‘s mit den USA?“

Michael Lüders hat sich durch mehrere Bücher zur westlichen Nahostpolitik einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch „Die scheinheilige Supermacht. Warum wir aus dem Schatten der USA heraustreten müssen“ sagt er, das oft zitierte Freiheitsversprechen der USA (make the world safe for democracy) sei nur eine Seite der Medaille, die andere stehe für eine skrupellose Macht- und Interessenpolitik. Wer sich dem Land widersetze, egal wo, werde zum Gegner, zum Feind. 

Das ist, sehr summarisch zusammengefasst, die Kernthese von Lüders Buch, die der Autor an zahlreichen, oft gut belegten und mitunter fröstelnd machenden Beispielen der Politik Washingtons gegenüber dem Iran, dem Irak Saddam Husseins, gegenüber Russland und China, aber auch am Beispiel des zähen Widerstands gegen die Gaspipeline Nordstream 2 erläutert. Man ist vor allem erschrocken, wie virtuos die US-Administration die Manipulation von Medien und Öffentlichkeit beherrscht. Ob sich freilich die großen Zeitungen und Netzwerke immer so unisono „einwickeln“ lassen, mag man doch bezweifeln.

Den zweiten Schwerpunkt des Buches bildet Lüders‘ Appell an die EU und an Deutschland, sich von der „Nibelungentreue“ gegenüber den USA zu verabschieden. In Deutschland fehle eine Diskussion über außenpolitische Grundsatzfragen. Trotz vereinzelter Kritik traue sich niemand, den großen Verbündeten eine imperiale, skrupellose Großmacht zu nennen. Dabei sei es höchste Zeit, die eigenen Interessen selbstbewusst zu vertreten. Die EU könne ein weltpolitisch einflussreiches militärisches Machtzentrum werden. 

Wohl jedes gute Buch provoziert sowohl Zustimmung als auch Widerspruch. Wer die Nachkriegszeit erlebt hat, billigt den USA doch zu, Demokratie und Menschenrechte trotz aller Machtpolitik hochzuhalten. Schließlich die „Gretchenfrage“: Wäre ein von den USA abgekoppeltes Europa bei ernsthafter Bedrohung durch die Atommacht Russland wirklich zu glaubhaftem Widerstand fähig? Sich diese Frage stellen, heißt automatisch, sie zu verneinen. Alle Bekundungen der Europäer um eine eigenständige und glaubhafte militärische Verteidigung sind bisher das Papier nicht wert, auf dem sie proklamiert wurden. Ohne die USA geht es nicht, man mag sie mögen oder nicht. 

Michael Lüders: „Die scheinheilige Supermacht. Warum wir aus dem Schatten der USA heraustreten müssen“, C.H.Beck Verlag, München 2021, broschiert, 294 Seiten, 16,95 Euro