02.05.2024

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Folge 35-21 vom 03. September 2021 / SARS-CoV-2 Die Herkunft des Corona-Erregers ist nach wie vor ungeklärt. Der Diskurs über die Frage nach der Verantwortung Chinas ist überlagert von politischen Interessen. Die Rolle der WHO ist umstritten / Streit um Laborthese / Westliche Regierungen kritisierten China-freundlichen Untersuchungsbericht der WHO

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-21 vom 03. September 2021

SARS-CoV-2 Die Herkunft des Corona-Erregers ist nach wie vor ungeklärt. Der Diskurs über die Frage nach der Verantwortung Chinas ist überlagert von politischen Interessen. Die Rolle der WHO ist umstritten
Streit um Laborthese
Westliche Regierungen kritisierten China-freundlichen Untersuchungsbericht der WHO
Wolfgang Kaufmann

Eines der größten Mysterien im Zuge der am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufenen Covid-19-Pandemie ist die Herkunft des Virus. Dass der Corona-Erreger aus dem Institut für Virologie Wuhan der Chinesischen Akademie der Wissenschaften stammen könnte, galt dabei zunächst als pure „Verschwörungstheorie“. Und das internationale Expertenteam der WHO, das schließlich am 14. Januar dieses Jahres zum Zwecke der Untersuchung des Ursprungs der Pandemie nach China reisen durfte, vermeldete noch in seinem Abschlussbericht vom 30. März, die Freisetzung des Erregers durch einen Laborunfall sei „extrem unwahrscheinlich“. Die sogenannte Laborthese wurde nur auf vier der insgesamt über 300 Seiten des WHO-Papiers behandelt.

Allerdings kritisierten die Regierungen der USA, Großbritanniens, Australiens, Kanadas, Tschechiens, Dänemarks, Estlands, Israels, Japans, Lettlands, Litauens, Norwegens, Sloweniens und Südkoreas die Art und Weise der Vor-Ort-Untersuchungen in Wuhan und verlangten „unabhängige und objektive … Erkenntnisse“. Ebenso bezeichneten 18 renommierte Biowissenschaftler den WHO-Bericht im Mai als „unschlüssig und unausgewogen“. 

Und zwei Monate später vollzog dann auch die Weltgesundheitsorganisation selbst eine scharfe Kehrtwende. Mitte Juli kündigte ihr Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus die Bildung einer neuen ständigen WHO-Arbeitsgruppe zur Suche nach dem Ursprung der Covid-19-Pandemie und weitere Nachforschungen in chinesischen Laboreinrichtungen an. Außerdem hieß es am 12. August aus dem Hauptquartier der Weltgesundheitsorganisation in Genf, der Zugang zu den bisher nicht zur Verfügung gestellten Rohdaten aus der Anfangszeit der Pandemie in Wuhan sei von „entscheidender Bedeutung“ für die Überprüfung der Laborthese. 

Kritik aus dem westlichen Lager

Parallel hierzu trat der Leiter der ersten WHO-Mission Peter Ben Embarek als Kronzeuge beziehungsweise Whistleblower auf, was den Kooperationsunwillen der chinesischen Seite betraf. Der dänische Spezialist für Lebensmittelsicherheit und Zoonosen schilderte im Interview mit dem dänischen Fernsehsender TV2, wie Peking die Wissenschaftler bei der Einreise schikaniert hat und dann versuchte, mit der Vorstellung eines angeblichen „Patienten Null“ aus Wuhan zu manipulieren, während gleichzeitig alle substantiellen Daten über frühe Covid-19-Fälle zum „Schutz der Privatsphäre“ der Betroffenen zurückgehalten wurden. Des Weiteren unternahmen die Chinesen alles, um Nachforschungen im Institut für Virologie und einem weiteren virologischen Labor in Wuhan, das dem Chinesischen Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention (CCDC) der Nationalen Gesundheitskommission untersteht, zu verhindern. Hierzu sagte Embarek: „Wir durften in keine Laborunterlagen blicken.“ Lediglich Gesprächsrunden mit dem Management der beiden Einrichtungen seien erlaubt gewesen. Und dabei habe die „Politik immer mit uns in einem Raum geweilt“.

Scharfe Kehrtwende der WHO

Gegenüber TV2 zählte der Leiter der ersten WHO-Mission die Annahmen über die Verbreitung von Covid-19 durch ein chinesisches Labor zu den nunmehr durchaus „wahrscheinlichen Hypothesen“. Entweder, so Embarek, habe sich ein Forscher beim Sammeln von Virenproben in Fledermaushöhlen infiziert und hernach seine Kollegen am Arbeitsplatz beziehungsweise andere Menschen angesteckt oder der Erreger SARS-CoV-2 sei dann später aus dem Labor entwichen. Dabei komme vor allem ein Ausbruch aus der CCDC-Einrichtung in Frage, denn die residiere seit Anfang Dezember 2019 in der Nähe des Wildtiermarktes von Wuhan, der als Ausgangspunkt der Pandemie gelte.

Dass Peking einer zweiten Mission der Weltgesundheitsorganisation zur Überprüfung der Laborthese zustimmt, ist sehr unwahrscheinlich. Die entsprechende Ankündigung von Ghebreyesus wurde inzwischen als nachgerade unerträgliche „Politisierung“ der Angelegenheit und „Aufgabe“ des noch von „gesundem Menschenverstand“ geprägten WHO-Berichts vom März 2021 bezeichnet. So lauteten beispielsweise die Stellungnahmen des chinesischen Vizeaußenministers Ma Zhaoxu und des stellvertretenden Chefs der Nationalen Gesundheitskommission Zeng Yixin. Gleichzeitig verlangt die Führung der Volksrepublik nun immer offensiver, den Ursprung des Coronavirus im Ausland zu suchen. In diesen Zusammenhang klammert sie sich wieder verstärkt an die „Frozen-Food-Theory“, der zufolge der Erreger durch kontaminierte Tiefkühlnahrung nach China gelangt sei.