26.04.2024

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Folge 35-21 vom 03. September 2021 / Konservative / Es gibt nicht nur die AfD / Erik Lehnert und Wiggo Mann zeigen, dass das widerständige Spektrum in Deutschland groß ist und nicht zwingend mit einer Partei verbunden sein muss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-21 vom 03. September 2021

Konservative
Es gibt nicht nur die AfD
Erik Lehnert und Wiggo Mann zeigen, dass das widerständige Spektrum in Deutschland groß ist und nicht zwingend mit einer Partei verbunden sein muss
Erik Lommatzsch

Wo genau ist eigentlich die Opposition? In den Parlamenten ist sie zwar nominell vorhanden, zu spüren ist sie allerdings kaum. Alle im Bundestag vertretenen Parteien sind auch an Landesregierungen beteiligt – bis auf eine, die AfD. Diese wird wirksam auf Abstand gehalten, diffamiert, mit unsäglichen NS-Vergleichen überzogen oder beschwiegen. Sie scheint entsprechend müde geworden zu sein, ungeachtet des Engagements vieler Mitglieder, die dafür Nachteile in Kauf nehmen, die sich bei weitem nicht auf verbale Angriffe beschränken.

Weitet man den Blick und sucht bei Stichwörtern wie „Opposition“, „Unzufriedenheit“ und „Wunsch nach Veränderung“ in diesem Land nicht nur im Bereich der Parteipolitik, so ergibt sich ein anderes Bild. „Ob der Junge-Freiheit-Leser, der Sezessionist, der Burschenschafter, der identitäre Aktivist, der ‚Schläfer‘ in der Jungen Union, der harte Fußballfan mit soliden Überzeugungen, der stille Neuheide, der „FAZ“-Leserbriefschreiber, der evangelikale Christ, der traditionsbewusste Katholik, der AfD-Kosmopolit, der desillusionierte Problemschullehrer, der Dresdner Abendspaziergänger, der GEZ-Rebell, die Biobäuerin, der Tag-X-Heimwerker oder der IfS-Metapolitiker – von außen, vom Standpunkt des linksliberalen Mainstreams aus betrachtet, sind wir alle gleich hässlich.“ Die Feststellung mit der Aufzählung, die sich noch lange fortsetzen ließe, stammt aus einem kleinen Band, verfasst von Erik Lehnert und Wiggo Mann, erschienen im Verlag Antaios. 

Im Zweifel rechts

Das Buch mit dem Titel „Das andere Deutschland. Neun Typen“ versteht sich einerseits als „Ratgeber“, anderseits wird ein Versuch unternommen, die Breite des konservativen Spektrums, des widerständigen Milieus, einer durchaus vorhandenen Bewegung aufzuzeigen. Den Konservatismus-Begriff halten die Autoren für eine „nützliche Klammer“. Allerdings habe diese nur „einen Inhalt, wenn man im Zweifel klarmacht, wo man politisch steht: rechts“.

Die Jahreszahl 1968 ist zum Ausgangspunkt und Synonym für eine politische Richtung geworden, der es gelungen ist, nicht nur zahlreiche Positionen zu besetzen. Vor allem konnte sie ihre ideologischen Linien gesellschaftlich derart implementieren, dass sie oft schon als erstrebenswerte Selbstverständlichkeiten erscheinen, mit einem klaren Schema von „richtig“ und „falsch“. Dem wollen Konservative etwas entgegensetzen. Deren Seite stellt sich jedoch bezüglich einer Fassbarkeit wesentlich komplizierter dar. „Eine absolute theoretische Deutungshoheit über die Rechte, das patriotische Spektrum“ gebe „es nicht und sollte es nicht geben“, so Lehnert und Mann. „Es gibt jedoch gemeinsame Grundlagen, Vorstellungen und Minimalziele.“ 

Angemahnt werden Geschlossenheit und Solidarisierung, etwa im Abschnitt „Distanzieren verboten!“, oder die Notwendigkeit, den richtigen Ton zu treffen. „Kein Thema ist zu gering oder fern, um nicht von uns besetzt werden zu können.“

In der Darstellung der neun von ihnen ausgemachten Typen geht es den Autoren von „Das andere Deutschland“ um eine Zustandsbeschreibung, klare Abgrenzbarkeiten sind nicht immer gegeben. Eine Reihe der hier dargestellten Typen, wie etwa der Aktionist oder der Wutbürger, findet sich auch auf der Seite der Linken beziehungsweise hat sogar dort seinen eigentlichen Ursprung. Mehrfach betonen die Autoren den Wert des Beispiels durch konsequentes Vorleben.

Zum widerständigen Milieu, zur Rechten, zum Spektrum derer, die den Entwicklungen in Deutschland etwas entgegensetzen, zählen laut Lehnert und Mann zunächst die – vielleicht klassischen – Konservativen, in einer Überschrift charakterisiert mit: „Das Steuer halten, auch wenn die Kapitäne verrückt geworden sind.“ Bei ihnen handele es sich um die „Stützen eines funktionierenden Gemeinwesens“. Viele gebe es, „die intuitiv richtig stehen, die den Laden zusammenhalten“, denen allerdings die laute Aktion widerstrebe. Sie seien „von der Vorstellung geprägt, dass der Mensch ein Mängelwesen ist, das für sein Überleben und für die Organisation menschlicher Gemeinschaft der Institutionen bedarf“. 

Davon abgegrenzt werden könne der Typ des in der Regel jungen Aktionisten, der „mit zumeist symbolischen Taten und gezielter Subversion“ wirke, es fällt hier auch das von anderer Seite aufgebrachte Schlagwort von der „Greenpeacisierung“. Einen dritten Typus sehen die Autoren im Exlinken, dem es immer (noch) um „elaborierte Weltanschauungen“ gehe und der sich über seine ehemalige politische Ausrichtung definiere, der den Verständnisschlüssel nach wie vor im Werk von Karl Marx finde, sich immer unmittelbar vor dem großen Umbruch wähne sowie im Unterschied zu anderen Vertretern des Spektrums „eine Schwäche für Systeme und Gesetzmäßigkeiten“ habe. Hinter allem stecke ein „System“, Erklärungsansätze wie „Dummheit oder Zufall scheiden aus“. 

Mehr Mut wäre nötig

Eine Reihe von Gemeinsamkeiten verbinde den Typus des Aussteigers mit dem des Resignativen, die beide ebenfalls im konservativen Lager zu finden seien. Über Letzteren heißt es in dem Band, er sei durch keinerlei Heilsversprechen korrumpierbar „und damit das denkbar größte Ärgernis der Gegenwart“. Eine andere Kategorie sei der Wutbürger, dessen Protest sich ursprünglich auf ein konkretes Anliegen gerichtet habe. Mit Pegida habe sich allerdings gezeigt, dass „bei einer großen Anzahl von Bürgern ein Bewusstsein für die Fäulnis des Ganzen zu existieren scheint“. Eine wichtige Funktion nehme der Typus des Metapolitikers ein. Ihm gehe es um die Vorbereitung des Politikwechsels, was bedeute, dass „über den reagierenden Charakter der Tagespolitik hinaus über das Wesen und den Zweck der Politik nachgedacht wird“. 

Der Metapolitiker wolle „den Zeitgeist wieder von den Dingen befreien, die heute wertgeschätzt werden, obwohl sie uns Deutschen die Existenzgrundlage entziehen“. Als weiteren Typen machen Lehnert und Mann den Parteisoldaten aus, dem trotz bester Absichten, die Institutionen von innen zu reformieren, wenig Wirkmächtigkeit zugeschrieben wird. Zuletzt sei da der Typus des Querulanten, der den zivilen Ungehorsam praktiziere.

Mag die Opposition in den Parlamenten schwach sein, außerhalb ist offenbar Potential vorhanden. Noch besser sichtbar werden könnte dieses Potential, wenn im rechten politischen Spektrum in seiner ganzen Breite mehr Mut zum namentlichen Bekenntnis herrschen würde.