20.04.2024

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Folge 36-21 vom 10. September 2021 / Leitartikel / Wer wem geholfen hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-21 vom 10. September 2021

Leitartikel
Wer wem geholfen hat
René Nehring

Der überstürzte Abzug der westlichen Armeen aus Afghanistan beschäftigt weiter die in- und ausländischen Gemüter. Zu einem zentralen Problem der letzten Tage wurde die Frage, wie mit den sogenannten Ortskräften umzugehen ist – denjenigen Afghanen also, die in den vergangenen zwanzig Jahren im Dienst der ausländischen Mächte gestanden haben.  

Klar ist, dass der Westen ein Glaubwürdigkeitsproblem bekäme, wenn er diese ehemaligen Mitstreiter im Stich ließe. Viele der Übersetzer, Kraftfahrer oder Reinigungskräfte vertrauten auf die Zusagen, dass man sie nicht den Taliban überlassen werde. Allerdings hätten die Erfahrungen in anderen Krisengebieten sie von Beginn an vorsichtig sein lassen müssen. Denn dort – etwa im Irak, wo die Amerikaner die Kurden wiederholt zu Angriffen erst gegen Saddam Hussein und dann gegen den IS angestiftet hatten – waren Verbündete des Westens schnell wieder vergessen, sobald sie nicht mehr gebraucht wurden. 

Notwendig ist gleichwohl, einige in diesem Kontext gefallene Aussagen zu hinterfragen. So behauptet das eilig aus dem Boden gestampfte Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V. (wobei erstaunlich ist, wie schnell hier ein Verein gegründet werden konnte): „Wir sind den Menschen gegenüber verantwortlich, die uns in Afghanistan unterstützt, geholfen und vertraut haben.“ 

Diese Aussage, die von zahlreichen Politikern verschiedener Couleur umgehend aufgegriffen wurde, kann jedoch nicht unwidersprochen bleiben. Schließlich sind nach den Terroranschlägen von 2001 die westlichen Staaten nach Afghanistan gegangen, um nicht nur die Welt vom Terrorismus, sondern auch die Afghanen von der Diktatur der Taliban zu befreien (zumindest wurde dies von der politischen Führung behauptet). Insofern haben „wir“ den Menschen am Hindukusch geholfen und nicht umgekehrt. 

Dies sollte schon deshalb nicht vergessen werden, da der Einsatz hunderten Soldaten aus Europa und Nordamerika das Leben gekostet hat. Allein 59 Bundeswehrsoldaten fielen am Hindukusch. 

Der zweite kritische Punkt ist die Frage, warum die Afghanen, wenn sie denn eine solche Angst vor der Rückkehr der Taliban hatten, nicht selbst gekämpft haben. Gemäß den bekannten Zahlen hatte die reguläre afghanische Armee etwa drei- bis viermal so viele Kämpfer wie die Freischärler der Taliban. 

Zudem ist die Lage im Lande – zumindest bis jetzt – durchaus geordnet. Die Taliban zeigen sich bemüht um Gespräche mit dem Ausland, westliche Journalisten konnten in den letzten Tagen frei über die Lage vor Ort berichten, und am vergangenen Wochenende wurden sogar Taliban gemaßregelt, die gegen eine Frauendemonstration vorgegangen waren. 

Ob dies so bleibt, weiß freilich niemand. Angesichts der genannten Fakten gibt es derzeit jedoch keinen Grund, überstürzt – und ungeprüft (!) – tausende Afghanen nach Deutschland zu holen.