24.04.2024

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Folge 36-21 vom 10. September 2021 / Hinterpommern / Der Cordula-Schrein von Cammin / In der ältesten und größten Kirche Pommerns befand sich der verlorene Pommernschatz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-21 vom 10. September 2021

Hinterpommern
Der Cordula-Schrein von Cammin
In der ältesten und größten Kirche Pommerns befand sich der verlorene Pommernschatz
Erwin Rosenthal

Der Dom zu Cammin, von 1176 bis 1650 Bischofssitz des Bistums Cammin und heute neben der Jakobskirche in Stettin eine der beiden Kathedralkirchen des Erzbistums Stettin-Cammin, ist ein Gotteshaus der Superlative. Er ist nicht nur das imposanteste Bauwerk der Stadt Cammin, sondern auch die älteste und zugleich größte christliche Kirche Pommerns. Zudem schmückt sich der Dom mit der schönsten Orgel und dem einzigen erhaltenen gotischen Kreuzgang Pommerns. 

Die Orgel hatte seinerzeit Ernst Bogislaw von Croy, bis 1650 evangelischer Bischof von Cammin, hiernach Statthalter von Hinterpommern und später Statthalter des Herzogtums Preußen, gestiftet.

Einst Bedeutende Schatzkammer

Das Domarchiv und das Dommuseum, auch die Camminer Schatzkammer genannt, waren weit über die Grenzen Pommerns hinaus bekannt. Heute werden in deren Räumen Silberkelche, Münzen und Messgewänder ausgestellt. Bis zum Jahre 1945 hingegen lagerten hier das in mehr als 700 Jahren angesammelte historische und kirchliche Gerät, wertvolle Kunstwerke und Raritäten aus dem Orient. 

Die einzigartige Sammlung enthielt unter anderem einen Bischofsstab (um 1300), ein Parcificalkreuz (um 1450), ein Kruzifix (um 1200) und eine Mitra (um 1400). Auch Reliquien wie „das Handtuch der Maria“ oder die Peitsche mit der Jesus die Wechsler, Verkäufer und Käufer aus dem Tempel getrieben haben soll, hatten hier ihren Platz gefunden. 

Größte Kostbarkeit

Die größte Kostbarkeit in der Camminer Schatzkammer war jedoch ein im Mammen-Stil der Wikingerzeit um 1000 nach Christi von einem nordischen Künstler angefertigter Reliquienschrein, der sogenannte Cordula-Schrein, in dem früher die Gebeine der heiligen Cordula aufbewahrt wurden. 

Cordula (gestorben um 304 oder um 451) zählt zu den Jungfrauen – der Legende nach sollen es mehr als zehntausend gewesen sein – die auf einem Schiff aus England gekommen waren und in Köln das Martyrium erlitten. Cordula hatte sich zunächst im unteren Schiffsraum versteckt, ging aber am nächsten Morgen freiwillig ins Lager der Hunnen und wurde dort ebenfalls getötet.

Ausführung gibt Rätsel auf Der ovale Holzkasten in den Maßen  63 mal 26 mal 33 Zentimeter war mit 22 unregelmäßigen viereckigen Platten aus Elchgeweih belegt, die von vergoldeten Bronzebändern zusammengehalten wurden. An den Schnittpunkten der Bänder befanden sich Tierköpfe. 

Die Platten und die Bronzebänder waren ebenfalls mit zahlreichen Tierornamenten bedeckt. Möglicherweise ist das Dekor des Schreins den Schnitzereien bzw. Malereien an den echten wikingerzeitlichen, schiffsförmigen Hallenhäusern nachempfunden worden.  

Fast sagenhaft muten die Erzählungen über die Herkunft des Cordula-Schreins an. Nach neueren Auffassungen kam er als Geschenk des Bischofs Asker von Lund an Otto von Bamberg nach Cammin. Nordische Historiker vertreten hingegen die Auffassung, dass der kostbare Schrein im Jahre 1135, während des Vergeltungszuges der Pommern gegen die norwegische Metropole Konghelle von Herzog Ratibor I. erbeutet wurde. Ratibor I. hatte nach dem Tode seines Bruders Wartislaw I. die Regierung in Pommern übernommen und bei Stolpe an der Peene, wo sein Bruder angeblich durch einen „heidnischen“ Lutizen erschlagen worden war, eine Kirche erbaut und später ein Kloster gegründet.

Seit 1945 verschwunden

Wie die Herkunft des Kunstwerkes liegt auch sein gänzliches Verschwinden im Jahre 1945 im Dunkeln. Es gibt mehrere Erklärungen für das Schicksal des Pommernschatzes. So sollen die Transportfahrzeuge, mit dem er – offensichtlich viel zu spät – in Sicherheit gebracht werden sollte, in ein Panzergefecht geraten und zerstört worden sein. 

Eine zweite Erklärung: Als sich die russischen Armeen der Odermündung näherten, soll ein berittener Soldat versucht haben, den Schrein in Sicherheit zu bringen. Unterwegs verliert sich dann seine Spur. Und weiter: Der Schatz wurde mit einem Planwagen in Richtung Westen transportiert. Bei Parlowkrug, an der Kreuzung der Straßen Wollin-Pribbernow/Cammin-Pribbernow soll der Wagen auf einer Brücke umgekippt sein, wodurch der Schatz verloren ging. 

Der Wert des Schreins lässt sich auch daran ermessen, dass sich Nachbildungen im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz, im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, im Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen und im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald befinden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Original des berühmten Schreins eines Tages wieder auftaucht. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.