24.04.2024

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Folge 38-21 vom 24. September 2021 / Gaslieferungen / Wenn Moskau am längeren Hebel sitzt / Die gegenwärtige Gasknappheit spielt Russland in die Karten – Die deutsche Energiepolitik hat kaum etwas dagegenzusetzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-21 vom 24. September 2021

Gaslieferungen
Wenn Moskau am längeren Hebel sitzt
Die gegenwärtige Gasknappheit spielt Russland in die Karten – Die deutsche Energiepolitik hat kaum etwas dagegenzusetzen

Momentan liegt der Erdgaspreis in Mittel- und Westeuropa trotz des noch warmen Wetters so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig sind die Speicher deutlich weniger gut gefüllt als in den Vorjahren. Deshalb könnte der Energieträger Gas in diesem Winter knapp und auch enorm teuer werden. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.

Zum einen dauerte die Kälteperiode im Frühjahr ungewöhnlich lange an, weswegen sich die Speicher mehr als sonst leerten und das Wiederauffüllen vergleichsweise spät einsetzte. Zum anderen überwand China die Folgen der Corona-Pandemie schneller als erwartet, was den Energiehunger des Reiches der Mitte verstärkte. Außerdem importierte Brasilien Unmengen von Flüssigerdgas, weil viele Wasserkraftwerke im Lande aufgrund von Dürre ausgefallen waren. 

Ebenso erwiesen sich die Preissteigerungen bei den Kohlendioxid-Emissionszertifikaten in der Europäischen Union als ausgesprochen nachteilig. Angesichts der wachsenden Kosten bei der Verstromung von Kohle wechselten manche Energiekonzerne zum Gas, womit sie die Nachfrage noch weiter anheizten.

Gleichzeitig zeigt sich Russland jetzt außerstande, zusätzliche Mengen an Erdgas zu liefern. Das liegt zum Teil wohl an dem Großbrand in der westsibirischen Erdgasaufbereitungsanlage bei Nowy Uren­goi und den vertraglichen Vereinbarungen mit der Türkei, welche immer stärker zu einem Hauptabnehmer von Gazprom mutiert. 

Der Westen wird erpressbar

Aber vielleicht steckt auch mehr dahinter. Immerhin existieren nach wie vor erhebliche Widerstände gegen die jüngst nach langem Streit fertigverlegte Ostseepipeline Nord Stream 2, durch die russisches Erdgas nach Deutschland gepumpt werden soll. Dies gab Gerüchten Nahrung, dass Moskau den Westen erpressen wolle: Arrangiert Euch mit dem Projekt, sonst könnt ihr im Winter eine Gasknappheit ohnegleichen erleben! So hat Gazprom versprochen, noch in diesem Jahr 5,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas via Nord 

Stream 2 zur Verfügung zu stellen, wenn das Genehmigungsverfahren bald sein erfolgreiches Ende finde.

Auf jeden Fall ist die gemeinsame Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Joe Biden, man werde es Russland keinesfalls ermöglichen, Energieträger wie Erdgas als geopolitische Waffe einzusetzen, reine Makulatur. Sollten die Gasspeicher in Mittel- und Westeuropa zu Beginn der Heizperiode im Oktober immer noch so geringe Füllstände aufweisen wie jetzt, sitzt Moskau definitiv am längeren Hebel. Es sei denn, der Winter wird kurz und mild – mit viel Sonnenschein und Wind zugunsten der alternativen Energieerzeugung. Oder die Kernkraftwerke in Frankreich und anderswo laufen auf Hochtouren.W.K.