29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 38-21 vom 24. September 2021 / EZB / Warnung vor Verzerrungen bei der Vermögensbildung / Das IW hat im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die Folgen der Billiggeldpolitik der Europäischen Zentralbank untersucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-21 vom 24. September 2021

EZB
Warnung vor Verzerrungen bei der Vermögensbildung
Das IW hat im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die Folgen der Billiggeldpolitik der Europäischen Zentralbank untersucht
Norman Hanert

Als vergangenes Jahr Mario Draghi, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz überreicht bekam, hätte der stärkste Protest eigentlich von der SPD und der Linkspartei kommen müssen. Zum einen haben beide Parteien die Frage der sozialen Gerechtigkeit zu einem Kernpunkt ihrer Programmatik gemacht. Zum anderen ist Ökonomen bereits seit drei Jahrhunderten Jahren bekannt, dass exzessive Gelddruckerei von Notenbanken die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft verstärkt. 

Bereits zu Beginn des 18. Jahrhundert hat sich der irische, in Frankreich lebende Bankier und Nationalökonom Richard Cantillon mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen Inflation auf die Verteilungsgerechtigkeit hat. Hierzu analysierte Cantillon das Geldsystem des gebürtigen Schotten John Law. 

Als Frankreich Anfang des 18. Jahrhunderts die Staatspleite drohte, verhinderte Law dies zunächst, indem er 1716 die Wirtschaft mit Papiergeld überschwemmte. Zunächst führte das in Handel und Produktion zu einem Aufschwung. Allerdings kollabierte bereits 1720 Laws Kreditsystem. Diese erste große Finanzkrise des Geldsystems ruinierte Frankreich auf Jahrzehnte. 

Cantillon-Effekt

Als Beobachter der damaligen Ereignisse kam Cantillon zu der Erkenntnis, dass die von Law losgetretene Geldflut die Menschen im Land in sehr unterschiedlichem Maß erreicht hat. Akteure, die der 

„Banque Royale“, der ersten offiziellen Zentralbank der Welt, nahegestanden hatten und als erste Zugriff auf die aus dem Nichts geschaffene Geldmenge hatten, profitierten am stärksten. Diese Erstempfänger konnten ihren zeitlichen Vorsprung dazu nutzen, mit dem Geld Güter zu kaufen, deren Preise noch auf einem niedrigen Niveau lagen. 

Die Geldflut sorgte schließlich schnell für Nachfrage und steigende Güterpreise. Weniger privilegierte Akteuren, die zeitlich erst später oder gar keinen Zugriff auf das neue Geld hatten, blieb dann nur noch die Möglichkeit, die Güter zu inflationierten Preisen zu kaufen.

Im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) untersucht, ob sich dieser sogenannte Cantillon-Effekt auch als Folge der Geldpolitik der EZB nachweisen lässt. In der Amtszeit des nun mit dem Bundesverdienstkreuz geehrten Draghi begann die EZB damit, in ganz großem Stil Anleihen aufzukaufen. Durch die verschiedenen Anleihekaufprogramme ist die Bilanzsumme der EZB seit der globalen Finanzkrise von 1,5 Billionen Euro auf mittlerweile etwa sieben Billionen gestiegen. Im März 2016 senkte die EZB zudem erstmalig ihren Leitzins auf null Prozent.

Insbesondere wegen der massiven Anleihekäufe der EZB haben einige Kommentatoren bereits vor einigen Jahren Parallelen zu den Praktiken Laws gezogen, der vor drei Jahrhunderten Frankreichs Staatsbankrott mit einer Flut von Papiergeld aufhalten wollte.

Entscheidende Frage

Laut der Untersuchung des IW hat die expansive Geldpolitik der EZB in Deutschland bislang zu keiner Vergrößerung der Ungleichheit geführt. Allerdings warnen die Wirtschaftsforscher, dass mit dem Andauern der Billiggeldpolitik die Wahrscheinlichkeit von Verzerrungen bei der Vermögensbildung steige. 

Aus Sicht der IW-Ökonomen hat es bislang in allen Vermögensklassen Gewinner und Verlierer gegeben. Auch Beziehern normaler Einkommen bot sich ein Zeitfenster, in dem sie noch vor dem starken Anstieg der Immobilienpreise das niedrige Zinsniveau nutzen konnten, um Vermögen zu erwerben. Ganz entscheidend für die Frage, wie sich die Geldflut ausgewirkt hat, war die Frage, ob Wohneigentum genutzt oder aber zur Miete gewohnt wurde. 

Insgesamt bleibt der Befund, dass für einen Teil der Deutschen durch die Null- und Negativzinsen der Aufbau von Vermögen zunehmend schwieriger geworden ist. Gerade ärmere Haushalte müssen mittlerweile sehr hohe Immobilienpreise schultern, während sie für ihr Kapital auf risikoarme Anlageformen angewiesen sind, die kaum Renditen bringen.

Nicht nur die Beobachtungen, die Cantillon um 1720 zu den Auswirkungen der steigenden Geldmenge auf die Vermögensverhältnisse gemacht hat, sind bis heute lehrreich. Der Bankier hatte auch richtig erkannt, dass Laws System so lange funktioniert, wie die Papiergeldflut nur im Finanzsektor die Aktienpreise in die Höhe treibt. Sobald die Bürger aber anfingen, mit dem Papiergeld Edelmetalle wie Gold und Silber sowie echte Waren zu kaufen, schwand das Vertrauen in die Kaufkraft.