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Folge 38-21 vom 24. September 2021 / Architektur / Das Haus von der Stange / Luxusheim für Vertriebene – Im Freilichtmuseum Kiekeberg bei Hamburg steht jetzt ein Quelle-Fertighaus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-21 vom 24. September 2021

Architektur
Das Haus von der Stange
Luxusheim für Vertriebene – Im Freilichtmuseum Kiekeberg bei Hamburg steht jetzt ein Quelle-Fertighaus
H. Tews

Seit 2019 wird die Königsberger Straße zu einer immer attraktiveren Adresse. Es entstehen Häuser mit Gärten sowie Straßenlaternen, eine Litfaßsäule, Telefonzellen, Läden und eine Tankstelle – alles im Stil der 1950er Jahre. Dieser Retro-Look ist Teil des Projekts „Königsberger Straße. Heimat in der jungen Bundesrepublik“ im Freilichtmuseum am Kiekeberg vor den südlichen Toren Hamburgs und bei den Harburger Bergen. Das Projekt stellt die Unterkünfte vor, die damals für die Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten dringend benötigt wurden und die man auf dem Museumsgelände begehen kann.

Vom 25. September an wird es an der Königsberger Straße eine neue Hausnummer geben: ein vollständiges Fertighaus aus dem Quelle-Katalog. Das Haus wurde 1966 in Winsen (Luhe) gebaut, in Teile zerlegt, zum Kiekeberg transloziert, dort wieder aufgebaut und im Zeitschnitt von 1979 eingerichtet. Es zeigt damit, wie die Eigentümerfamilie Ende der 1970er Jahre in ihm wohnte.

In der Nachkriegszeit, insbesondere von 1969 bis 1973, erlebten Fertighäuser eine Boom-Phase. Schon wesentlich früher, in der Kaiserzeit, wurden Wohnhäuser aus Fertigteilen gebaut. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lasteten ihnen jedoch Makel und Vorurteile an: Diverse tatsächliche Baumängel und eine negative Berichterstattung in den Medien schürten Ablehnung. Eine grundsätzliche Skepsis gegenüber neuen Bauformen war vermutlich auch ein Grund für die Zurückhaltung einiger Bauherren. 

Hinzu kommen die direkten negativen Erlebnisse aus der Nachkriegszeit, als viele Vertriebene in Notunterkünften hausen mussten. Die Fertighäuser wurden den Ruf nicht los, bessere Baracken zu sein.

Und doch gab es einige Vorteile, mit denen Quelle-Fertighäuser überzeugten: Allem voran waren sie kostengünstig, schnell zu errichten und insbesondere in der Raumaufteilung auf die aktuellen Bedürfnisse von Familien zugeschnitten. Oftmals waren die Bauherren fortschrittsorientiert und interessiert an moderner Architektur.

In Westdeutschland herrschte in den 1950ern eine akute Wohnungsnot: Über zwölf Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Evakuierte suchten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Unterkunft. Schnelles und günstiges Bauen war stark nachgefragt. Zahlreiche kleine Unternehmen, oft Zimmereien, boten regional Häuser aus Fertigteilen an. Als erstes Versandhandelsunternehmen (und als einziges mit selbst entwickelten Fertighäusern) bot die Quelle-Fertighaus GmbH ab 1962 Fertighäuser aus dem Katalog an. 

Für die neuen Bauherren gab sie eine Fertighaus-Fibel heraus, die die verschiedenen Haustypen und ihre Vorteile anpries und regelmäßig aktualisiert wurde. Ein prominentes Argument war das Versprechen vom „Hausbau in fünf Tagen“ ab Kellerkante, das jedoch in der Praxis offenbar nur selten eingehalten wurde.

Das Quelle-Fertighaus steht nicht nur für eine neue Art der Fertigung und des Hausverkaufs, sondern auch für eine andere Lebensgestaltung: Die Wände sind zugunsten der 110 Quadratmeter großen Wohnfläche nicht gemauert, Wohn-, Wirtschafts- und Schlafbereich sind klar getrennt, große Fenster lassen viel Licht herein, der Garten ist als Zier- und Spielgarten angelegt und eine Garage ist Standard. Ein Quelle-Fertighaustyp konnte sogar mit Bootsgarage errichtet werden. 

Das Quelle-Fertighaus ist für das Freilichtmuseum am Kiekeberg ein Schatz: Da das Eigentümerehepaar nur wenige behutsame Eingriffe in das ursprüngliche Haus vorgenommen hat, dient es als bleibendes Gedächtnis für die folgenden Generationen.

Internet www.kiekeberg-museum.de