29.03.2024

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Folge 38-21 vom 24. September 2021 / Der Wochenrückblick / Esel auf dem Eis / Was wir jetzt schon wissen, und worauf wir uns nach dem Sonntag einstellen sollten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-21 vom 24. September 2021

Der Wochenrückblick
Esel auf dem Eis
Was wir jetzt schon wissen, und worauf wir uns nach dem Sonntag einstellen sollten
Hans Heckel

So, das war’s also. Der Wahlkampf ist überstanden, die Urnen stehen bereit, und alle warten auf die sonntägliche Bescherung um 18 Uhr. Immerhin ist es noch mal spannend geworden, nachdem uns im Sommer kurzzeitig fast die Augen zugefallen waren vor Langeweile.

Was wohl herauskommt? Ob das neue Parlament besser oder schlechter sein wird als das ausgelaufene, kann noch keiner sagen. Doch eines können wir schon im Voraus verraten: Auf jeden Fall bekommen wir den größten Bundestag aller Zeiten und stellen damit erneut einen Weltrekord auf. Ja, von wegen, Deutschland sei nirgendwo mehr führend!

Nach Berechnungen auf der Basis letzter Umfragen schwillt die Volksvertretung von derzeit 709 auf 800 bis sogar 900 Abgeordnete an. So ein riesiges Parlament hat kein anderes demokratisches Land der Welt. Indien, die größte Demokratie des Planeten mit 16,6 Mal so vielen Einwohnern wie Deutschland, begnügt sich mit läppischen 540 Mandatsträgern. Hätten die knapp 1,4 Milliarden Inder pro Kopf genauso viele Abgeordnete wie wir, säßen in Neu-Dehli rund 15.000 Gewählte beisammen, eine Kleinstadt. Die Mandatsträger müssten mit dem Motorroller gen Pult fahren, um rechtzeitig zum Beginn ihres Redebeitrags dort einzutreffen.

Zum größten Bundestag aller Zeiten

Aber war da nicht was? Hatten uns vor vier Jahren nicht unzählige Politikermünder geschworen, dass schon 709 Abgeordnete viel zu viele seien und daher dringend eine Reform her müsse, um deren Zahl wieder runter zu bringen? Ja, sicher. Und wir können ganz fest davon ausgehen, dass sie das auch dieses Mal wieder sagen werden – um dann wie gehabt vier Jahre lang nichts zu tun.

Nichts getan? Sie haben einiges gemacht, nur in die andere Richtung. Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, hat man die Zahl der Beamten in den obersten Bundesbehörden von 14.000 auf 24.000 erhöht, und allein seit Jahresbeginn wurde noch einmal kräftig eingestellt, weil die amtierenden Minister ja nicht wissen, ob sie im Herbst noch ein Amt haben, wo sie solche Pfründen an ihre Getreuen verschenken können.

Wir müssen allerdings bedenken, dass auf das neue Parlament gewaltige Aufgaben warten, da können ein paar mehr helfende Hände durchaus sinnvoll erscheinen. Wer die öffentlichen Debatten verfolgt, bekommt nämlich den Eindruck, dass hier ein Land, das kaum mehr als ein Prozent der Erdbevölkerung ausmacht, fast im Alleingang das Weltklima retten will. Annalena Baerbock hat den Anspruch des nächsten Bundestages klar umrissen: Am Sonntag hätten die Deutschen an der Urne die letzte welthistorische Gelegenheit, die globale Klimakatastrophe noch abzuwenden (indem sie grün wählen, versteht sich). Also nicht die Amerikaner oder die Chinesen, die Inder, Afrikaner oder der unbedeutende Rest von Europa, nein – wir! Wir Deutsche entscheiden am Wahltag darüber, ob der blaue Planet eine Zukunft hat oder nicht. Ist das nicht großartig? Ein Gefühl wie an den Klippen des „Endsiegs“.

Der totale globale Endkampf ums Wetter gebietet es freilich, dass an die Spitze unseres vom Glorienschein der Weltrettung umkränzten Gemeinwesens nur die Besten der Besten aufrücken. Nicht allein in den Kanzlerstuhl, sondern auch ins Amt des Bundespräsidenten. Wie der „Focus“ aus Quellen in der CDU-Führung erfahren haben will, hat die Unionsspitze da auch schon jemandem im Auge.

Laut dem Magazin überlegt man im Adenauerhaus, nächstes Jahr Katrin Göring-Eckardt zur Bundespräsidentin zu küren, wenn die Grünen als Gegengabe diesen Herbst eine Koalition mit den Schwarzen eingehen. Und da dachten wir schon, mit Frank-Walter Steinmeier gewissermaßen den Gipfel erreicht zu haben. Das war möglicherweise genauso falsch wie die Illusion von 2017, als wir meinten, aufgeblähter könne der Bundestag nun wirklich nicht mehr werden. Nein, nein – es geht immer weiter und weiter: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

Auch mit der CDU. Denn bei den letzten konservativen Wählern an der Unionsbasis würde so ein Handel mit den Grünen fabelhaft ankommen. Ach, blöde Häme. Was sollen Laschets Leute denn machen? Sie sitzen in der Tinte. Inhaltlich entleert und personell rachitisch hält den Verein nur die Macht noch zusammen. Bricht die weg, könnte die Partei auseinanderbröseln wie ein trockener alter Käse. 

Daher muss die Macht, wenn es irgend geht, als letztes Bindemittel für die CDU erhalten bleiben. Das wäre aber (wenn überhaupt) nur unter der Flagge Jamaikas zu bewerkstelligen, also mit den Grünen. Und die könnten der Union dafür so ziemlich alles abpressen, was sie haben wollen, beispielsweise den schönen Posten im Bellevue.

Keine schöne Auswahl für die Union: Entweder sie kann in der Opposition zerfallen oder sie wird sich an der Regierung die allerletzten Zähne ziehen lassen. Was nach so etwas von einer bürgerlichen Partei übrig bleibt, wissen Italiens Christdemokraten schmerzlich zu berichten.

Merkel grünlinks überholen? Viel Spaß!

Für die Grünen stellt sich in so einer Jamaika-Kiste indes auch ein Problem. Angela Merkel hat die Union in 16 Jahren beinahe restlos vergrünt, dass es schwerfallen könnte, noch etwas zu finden, was die Grünen den Schwarzen „abtrotzen“ könnten, um mit der Trophäe ihre Unions-feindliche Basis zu besänftigen. Da kann die Habeck-Baerbock-Truppe eigentlich nur noch radikaler, noch apokalyptischer werden, um sogar das grünlinke Merkeldeutschland in Sachen Links und Grün zu überholen. Baerbock hat mit ihrer Welt-Endwahl-Phantasie einen ahnungsvollen Vorgeschmack gegeben.

Aber was zerbrechen wir uns hier den Kopf? Im linken Lager ist man zuversichtlich, dass die nächste Regierung ohnehin rot-grün-rot gestrickt sein wird. Und viele Deutsche denken ähnlich. Finanzexperten wollen in den Wochen vor der Wahl auffällige Absetzbewegungen von wohlhabenden Deutschen beobachtet haben, die ihr Geld Richtung Ausland in Sicherheit bringen. 

Wie die Grünen hat auch die SPD nach einem Sieg eine Herausforderung zu meistern. Da wartet auf die Genossen beispielsweise die heikle Aufgabe, diesen Scholz wieder loszuwerden, den sie als Parteichef bekanntlich nicht haben wollten. Oder zumindest so einzurahmen, dass er selbst als Kanzler nicht allzu sehr im Wege steht auf dem Zug in den linken Enteignungsstaat. Indes:  Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich im Wahlkampf als derart elastisch und zynisch erwiesen, dass sich die Kühnerts und Eskens möglicherweise ganz umsonst sorgen.

So könnte Scholz im Kanzleramt weiterhin seinen Dienst als Schlafpille für unruhige Bürger versehen, während in den Ministerien ultralinke und radikalgrüne Weltretter ihr großes Werk tun. Und was wird aus Deutschland? Wenn’s dem Esel zu gut geht, geht er eben aufs Eis. Und kaltes Wasser hat schon manchen zur Besinnung gebracht.