25.04.2024

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Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021 / Berlin-Wahl / Die Abgestraften freuen sich / CDU mit geringen Zuwächsen – AfD fast halbiert – Giffey macht womöglich doch wieder Linksblock

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021

Berlin-Wahl
Die Abgestraften freuen sich
CDU mit geringen Zuwächsen – AfD fast halbiert – Giffey macht womöglich doch wieder Linksblock
Norman Hanert

Obwohl die Sozialdemokraten mit 21,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 eingefahren haben, geht die SPD als Sieger aus den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus hervor. Laut vorläufigem Endergebnis gewann die SPD die Wahl vor den Grünen (18,9 Prozent), CDU (18,1 Prozent) und  Linkspartei (14 Prozent). Die FDP verbucht 7,2 Prozent der Stimmen, die AfD kommt nur noch auf acht Prozent.

Für die SPD ist rechnerisch damit eine Fortsetzung des Bündnisses mit Grünen und Linkspartei möglich, ebenso denkbar ist ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und CDU sowie eine sogenannte Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP. Im Wahlkampf hatte sich Franziska Giffey als SPD-Spitzenkandidat nicht auf ein Bündnis festgelegt und einen Politikwechsel angekündigt. Die Berliner Wähler konnten dies durchaus als Offenheit Giffeys für eine Koalition mit CDU und FDP deuten. 

Harte Verhandlungen voraus

Nach dem Wahltag kündigte Giffey indes an, sowohl mit Grünen und Linkspartei als auch mit CDU und FDP zu sprechen. Aussagen von SPD-Parteichef Raed Saleh lassen jedoch auf eine Abneigung gegen eine Koalition mit CDU und FDP schließen. Der dem linken Parteiflügel zugerechnete Saleh sagte, die SPD wolle einen „linken, pragmatischen Kurs“ fahren. 

Beide Koalitionsvarianten sind für Giffey nicht risikolos. Bei einer „Deutschland-Koalition“ mit CDU und FDP müsste sie jederzeit mit Störfeuer vom weit linken Parteiflügel rechnen, der in der Berliner SPD besonders stark ist. Auch für eine Neuauflage des linksgrünen Bündnisses – aufgrund des Wahlergebnisses diesmal in veränderter Reihenfolge als Rot-Grün-Rot – müssten in der Startphase zunächst einmal Wunden geheilt werden. In den Monaten vor der Wahl hat es innerhalb des linksgrünen Bündnisses mitunter heftig geknirscht.

Mit Blick auf Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linkspartei sind bereits mehrere schwere Brocken sichtbar: Giffey hatte sich im Wahlkampf für eine Randbebauung des ehemaligen Flughafens Tempelhof ausgesprochen sowie für eine Verlängerung der Stadtautobahn A100 im Berliner Südosten. Linke und Grüne lehnen beide Vorhaben vehement ab. 

Als wesentlich pflegeleichterer Partner könnte sich die CDU erweisen. Wie auf Bundesebene und in Mecklenburg-Vorpommern erlebte die Union auch in Berlin ein Debakel. Mit 18,1 Prozent lag das Ergebnis nur knapp über dem Wert von 2016. Mit 17,6 Prozent hatte die Berliner CDU vor fünf Jahren ihr bisher schlechtestes Ergebnis überhaupt eingefahren. Spitzenkandidat Kai Wegner bewertete das Plus von einem halben Prozentpunkt dennoch als „starkes Ergebnis“. Grund zur Freude ist für Wegener der Umstand, dass die Berliner CDU im Unterschied zu den Bundestagswahlergebnissen der Union in der Hauptstadt zulegen konnte. 

Der AfD ist es in Berlin nicht gelungen, von der Schwäche der Christdemokraten zu profitieren. Stattdessen ist die Partei sogar massiv eingebrochen. Die erzielten acht Prozent bedeuten ein Minus von mehr als sechs Prozentpunkten gegenüber 2016. Georg Pazderski, AfD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, bezeichnete das Ergebnis als eine „veritable Katastrophe“. Aus seiner Sicht trägt die Berliner Spitzenkandidatin Kristin Brinker eine Mitverantwortung für das miserable Ergebnis. Er sprach von einem Fehler, mit einer Spitzenkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen, die ohne Erfahrung bei der Planung und Durchführung von Wahlkämpfen war und „die den meisten Berlinern auch völlig unbekannt geblieben ist“. Auch „das schwesterliche Verhältnis“ zum ehemaligen Flügel hat sich aus Sicht Pazderskis nicht ausgezahlt.

Anfechtungen wegen Chaos?

Enttäuschung herrscht ebenfalls bei den Freien Wählern, die den Einzug ins Berliner Landesparlament nicht erreicht haben. Noch kurz vor dem Wahltag hatte das Meinungsforschungsinstitut INSA die Freien Wähler in Berlin bei drei Prozent gesehen. Laut vorläufigem Endergebnis erzielten sie dann aber nur 0,8 Prozent, weniger als die Tierschutzpartei (2,2 Prozent), die Partei „Die Basis“ (1,3 Prozent) oder auch das „Team Todenhöfer“ mit einem Prozent. Marcel Luthe von den Freien Wählern quittierte das Ergebnis seiner Partei mit völligem Unverständnis: „Das kann überhaupt nicht sein.“ Er kündigte an, auf der Klärung von Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Wahl und am Wahltag zu bestehen und wies dabei auf ältere Menschen, chronisch Kranke und Schwerbehinderte hin, die nicht in der Lage gewesen seien, „stundenlang vor den Wahllokalen auszuharren“ und daher gar nicht wählen konnten. Tatsächlich sind am Wahltag massive Organisationsmängel aufgetreten, die wohl noch zum Anlass für Wahlanfechtungen werden. Es wurde offensichtlich, dass einige Berliner Bezirke damit überfordert waren, gleichzeitig eine Bundestagswahl, die Berlin-Wahl und Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen zu organisieren. 

Abstimmen konnten die Berliner zudem noch über einen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Deutlich mehr als 50 Prozent der Wähler votierten für die Enteignungsinitiative. Als Regierende Bürgermeisterin übernimmt Franziska Giffey damit einen Auftrag der Wähler, den sie selbst ablehnt. Giffey kündigte nun allerdings an, das Ergebnis des Volksentscheids zu respektieren. „Es ist ein Appell an den Senat, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten“, so Giffey zum Enteignungsentscheid.