29.03.2024

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Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021 / Digitalsteuer / „Das ist in gewisser Weise unehrlich“ / Die viel umjubelte G20-Einigung wird Deutschland kaum zusätzliche Steuereinnahmen bringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-21 vom 01. Oktober 2021

Digitalsteuer
„Das ist in gewisser Weise unehrlich“
Die viel umjubelte G20-Einigung wird Deutschland kaum zusätzliche Steuereinnahmen bringen
Peter Entinger

Jahrelang haben Politiker jeder Couleur die Einführung einer „Online-Steuer“ gefordert. Konzerne sollten in dem Land  versteuern müssen, wo sie Geschäfte machen. Eigentlich wollte die Kommission der Europäischen Union im Juli Vorschläge vorlegen, wie eine mögliche europäische Digitalsteuer aussehen könnte. Doch nach der G20-Einigung auf eine globale Mindeststeuer hat die Brüsseler Behörde die Pläne für eine Digitalsteuer zurückgestellt. 

Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach euphorisch von einem kolossalen Fortschritt. „Die Sache ist jetzt auf dem Gleis“, sagte er. Es sei auf internationaler Bühne der größte Durchbruch in den vergangenen 20 Jahren. Für Deutschland werde die Vereinbarung am Ende mehr Steuereinnahmen bedeuten. 

Doch de facto wird Deutschland von der globalen Mindestbesteuerung der großen Konzerne in Höhe von 15 Prozent kaum etwas abbekommen. Diese ernüchternde Feststellung traf kürzlich das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“, das für das ZDF recherchierte. Es sei zwar ein Erfolg der Reform, dass Steueroasen wie Bermuda oder Cayman Islands künftig trockengelegt würden, „aber man muss offen sagen, dass dieser große Sieg gegen die Steueroasen tatsächlich mit großen Abstrichen bei der gerechten Besteuerung der Digitalkonzerne erkauft wurde“, teilte Christoph Trautvetter, Steuerexperte beim Netzwerk, mit. „Das ist in gewisser Weise unehrlich.“

Das von Trautvetter aufgeführte Beispiel des Streamingdienstes Netflix ist ernüchternd. Das Medienunternehmen hat allein in Deutschland im letzten Jahr eine Milliarde Euro Umsatz und fast 140 Millionen Euro Gewinn gemacht. Gezahlt hat es lediglich etwa 250.000 Euro Steuern. Dies entspricht einer Steuerquote von nur 0,2 Prozent. „Treten die Beschlüsse der G20-Staaten wie derzeit geplant in Kraft, ändert sich für Netflix fast nichts. Die Steuerquote würde nach unseren Berechnungen nur marginal steigen, von 0,2 auf 0,3 Prozent“, sagt Trautvetter. 

Insgesamt könnten die großen Konzerne laut Berechnungen des Steuernetzwerkes rund 260 Millionen Euro mehr zahlen. Dies seien „Peanuts“ angesichts der Umsätze von Apple, Facebook, Google und Co. Das Problem ist, dass gemäß der neuen Regelung nur ein Teil des sogenannten Residualgewinns besteuert wird. Das ist der Teil des Gewinns, der nach Abzug der Kapitalkosten verbleibt. Und da die Unternehmen durchaus findig sind, wird es relativ schwierig für die deutschen Finanzbehörden sein, die genaue Höhe zu ermitteln. 

Die Organisation afrikanischer Steuerbehörden ATAF hatte übrigens vorgeschlagen, dass der gesamte Residualgewinn umverteilt wird. Nach diesem Modell müssten die Internetriesen hierzulande gut 1,3 Milliarden Euro zusätzlich zahlen. Doch dafür fand sich in den G20-Reihen keine Mehrheit. Und die EU sieht keinen Handlungsbedarf mehr.