25.04.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / Koalitionspoker / Die Liberalen müssen mit dem Feuer spielen / In der Steuerfrage sind die Programme von FDP und SPD eigentlich unvereinbar – und mit den Grünen droht ein Problem, das keiner sehen will

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

Koalitionspoker
Die Liberalen müssen mit dem Feuer spielen
In der Steuerfrage sind die Programme von FDP und SPD eigentlich unvereinbar – und mit den Grünen droht ein Problem, das keiner sehen will
Hans Heckel

Norbert Walter-Borjans, Co-Chef der SPD, gibt sich sicher, dass bis Weihnachten eine rot-grün-gelbe „Ampel“-Koalition unter Olaf Scholz als Regierungschef stehen wird. Und auf der Titelseite des „Spiegel“ prangt ein Scholz-Porträt, als sei der Kandidat bereits Kanzler.

Doch ist das schon so sicher? Die FDP betont auffallend laut, dass ihre programmatischen Schnittmengen mit der Union weit größer seien als jene mit den Sozialdemokraten. Und selbst bei den Grünen erheben sich Stimmen, die zur Vorsicht mahnen beim Umgang mit dem möglichen roten Partner. Die Hamburger Grünen, die 2015 bereits eine Rathauskoalition mit Scholz gezimmert haben, warnen vor dem ausgeprägten Ego des SPD-Kanzleranwärters (siehe Zitat auf Seite 24).

Inhaltlich indes dürfte es zwischen Grünen und SPD keine unüberwindbaren Hürden geben. Ganz anders bei den Liberalen: FDP-Chef Christian Lindner hat den Verzicht auf Steuererhöhungen und die Einhaltung der Schuldenbremse für nicht verhandelbar erklärt. Das SPD-Wahlprogramm aber ist ohne Mehrbelastungen für die Steuerzahler oder höhere Verschuldung gar nicht umsetzbar. 

Für beide steht also der Kern ihrer Programmatik auf dem Spiel – und damit ihre Glaubwürdigkeit. Die klassische Lösung besteht bei solchen Lagen im berüchtigten Verhandlungsmarathon: Durch langes und lautes Ringen soll den eigenen Wählern signalisiert werden, wie sehr man für seine Positionen gekämpft hat – insbesondere für die, welche man am Ende zugunsten von „Verantwortung“, „Stabilität“ und „Staatsräson“ habe räumen müssen. 

Wie gefährlich eine solche Preisgabe aber werden kann, hat die FDP am Ende der schwarz-gelben Koalition mit Merkel erlebt, als sie 2013 aus dem Bundestag flog. Diese Erfahrung liegt als Trauma auf den Liberalen und wird ihre Verhandlungsführung gewiss beeinflussen.

Energie-Desaster in 15 Monaten

Auch mit den Grünen wird es die FDP nicht einfach haben – trotz inszenierter Harmonie bei den Vorgesprächen und selbst dann, wenn die „Ampel“ ohne allzu schmerzliche Abstriche am liberalen Programm zustande käme. Es droht in dieser Legislaturperiode nämlich ein Fiasko epischen Ausmaßes, das in den Sondierungen von Phrasen vernebelt wird.

Glaubt man dem Energie-Experten und früheren Hamburger SPD-Umweltsenator Fritz Vahrenholt, dann rast Deutschland in Höchstgeschwindigkeit auf ein Desaster nie dagewesenen Ausmaßes zu. Laut Vahrenholt sind großflächige Stromausfälle über mehrere Tage praktisch unausweichlich, wenn in nur noch 15 Monaten die letzten sechs deutschen Kernkraftwerke vom Netz gegangen sein werden. Im Falle einer „Dunkelflaute“, wenn Wind und Sonne über mehrere Tage gleichzeitig den Dienst versagen, würden nämlich alle grundlastfähigen Stromerzeuger, die ohne die AKW dann noch übrig sind, nicht ausreichen, um die Lücke zu schließen. Das öffentliche Leben und die Versorgung kollabierten schlagartig. Fachleute halten auch den Zusammenbruch der inneren Sicherheit bei einem solchen Mega-Blackout für wahrscheinlich.

Alle etablierten Parteien, auch die Liberalen, müssten angesichts einer solchen Katastrophe den energiepolitischen Offenbarungseid leisten. Den Grünen indes fiele dies am schwersten, denn das Geraune von der „Klimakatastrophe“ ist für sie viel zu essenziell. Also dürften sich Habeck, Baerbock und Co. eher noch tiefer in sture Wirklichkeits-Leugnung und fadenscheinige Schuldzuweisungen flüchten – mit entsprechenden Folgen für den Koalitionsfrieden, egal ob nun „Ampel“ oder „Jamaika“. 

Was die Möglichkeit „Jamaika“ angeht, stellt sich für die FDP zudem das Problem, dass die Union nicht einmal ansatzweise ihre Führungsfrage geklärt hat und auch nicht absehbar ist, wann sie das hinbekommt. So lasten die Verheerungen, welche Angela Merkel in ihrer Partei angerichtet hat, weiterhin auf der Union und könnten am Ende gar die Kanzlerfrage entscheiden.