25.04.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / Quo vadis CDU? Nach dem Wahldebakel vom 26. September steht die Union vor einem Umbruch. Doch aus welchen personellen Quellen sich der Neuanfang speisen soll, ist bis dato unklar / Wer übernimmt, falls Laschet aufgeben sollte? / Der Ruf nach Erneuerung in der CDU ist groß. Doch kommen für künftige Führungsaufgaben bislang nur alte Bekannte in Frage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

Quo vadis CDU? Nach dem Wahldebakel vom 26. September steht die Union vor einem Umbruch. Doch aus welchen personellen Quellen sich der Neuanfang speisen soll, ist bis dato unklar
Wer übernimmt, falls Laschet aufgeben sollte?
Der Ruf nach Erneuerung in der CDU ist groß. Doch kommen für künftige Führungsaufgaben bislang nur alte Bekannte in Frage
Paul Michaelis

Nach dem katastrophalen Wahlausgang vom 26. September reißen die Forderungen nach einem radikalen Neuanfang in der CDU nicht ab. Dabei geht es längst nicht mehr nur um den Parteivorsitzenden Armin Laschet. So forderte Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“, dass der Erneuerungsprozess „Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal“ insgesamt umfassen müsse. Und der Chef der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, forderte in der „Welt am Sonntag“: „In der CDU darf jetzt kein Stein mehr auf dem anderen bleiben.“

Doch woher soll eine solche Erneuerung kommen – falls Laschet überhaupt den Platz frei macht? Schließlich hat nahezu die gesamte Parteispitze der letzten Jahre jenen Kurs Angela Merkels mitgetragen, der die CDU von alten Grundüberzeugungen entfernt und an den Rand des Abgrunds geführt hat. So sind denn auch die bis dato für den künftigen Parteivorsitz Gehandelten durchweg alte Bekannte. 

Neben Röttgen, der sich bislang noch nicht zu etwaigen Ambitionen erklärt hat, tauchte umgehend der Name Friedrich Merz wieder auf. Bereits zweimal hat der frühere Vorsitzende der Bundestagsfraktion erfolglos gegen den jeweiligen Favoriten der CDU-Spitze kandidiert: 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, 2021 gegen Laschet. Gleichwohl erklärte Merz gegenüber „Bild“, sich eine Kandidatur um den Vorsitz offen halten zu wollen – allerdings nur in einer Direktwahl durch die Parteimitglieder. Denn, so Merz, sein „Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt“. Allerdings wird Merz im November 66 Jahre alt – womit er nicht mehr unbedingt zu den Nachwuchskräften seiner Partei gehört. 

Junge „alte Hasen“

Mit 41 Lebensjahren deutlich jünger, zugleich jedoch ein „alter Hase“ ist Jens Spahn. 2002 zog der Münsterländer mit gerade einmal 22 Jahren in den Bundestag ein, von 2015 bis 2018 war er Parlamentarischer Staatssekretär bei Finanzminister Wolfgang Schäuble, seit März 2018 ist er Gesundheitsminister. Damit kann Spahn sowohl als jung genug für einen Aufschwung gelten als auch erfahren genug, um an der Spitze einer großen Partei zu stehen. Was sowohl gegen als auch für Spahn spricht ist sein Ehrgeiz: „gegen“, weil derartige Politiker selten beliebt sind (schon gar nicht bei den eigenen Leuten) – und „für“, weil Politiker ohne Ehrgeiz als Leitwölfe gar nicht erst in Frage kommen. Mit der Corona-Zeit hatte Spahn als zuständiger Minister seine erste echte Feuertaufe zu bestehen. Dabei musste er wiederholt eigene Fehler eingestehen, doch hat ihm das bislang nicht nachhaltig geschadet. Was am meisten für Spahn spricht ist, dass er zu allen Flügeln der Partei (einschließlich der Konservativen) sowie auch zu anderen Parteien anschlussfähig ist. 

Als Kandidat für die künftige erste Reihe der CDU wird derzeit auch Carsten Linnemann immer wieder genannt. Mit 44 Jahren nur unwesentlich älter als Spahn, ist auch Linnemann bereits ein erfahrener Parlamentarier. Er ist seit 2009 Mitglied des Bundestags und seit 2013 Vorsitzender der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU (MIT). Somit steht der Paderborner für die klassische Union der Mitte und der sozialen Marktwirtschaft, die jahrzehntelang das Erfolgsrezept von Land und Partei war. Allerdings hat sich Linnemann bislang noch nicht als echter Anführer empfohlen. Zwar hat er in den letzten Jahren stets die unter Merkel zur Regel gewordenen Verstöße gegen ordoliberale Grundsätze kritisiert – doch den offenen Konflikt mit der Kanzlerin und der Parteiführung stets gescheut. 

Abwesende Landesfürsten

Auffällig ist, dass unter den Kandidaten für den künftigen Vorsitz der CDU keine Ministerpräsidenten genannt werden, obwohl diese eigentlich qua öffentlicher Stellung dazu zählen müssten. Niemand nennt derzeit etwa die Namen Tobias Hans (Saarland) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein). Grund dafür mag sein, dass diese sich zuletzt auf ihre Länder fokussiert haben, in denen im kommenden Jahr Landtagswahlen anstehen. 

Allenfalls der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (45) empfiehlt sich derzeit für eine größere Rolle in der Bundespolitik (in welcher Funktion auch immer). 2002 in den Bundestag eingezogen, wurde der Görlitzer 2005 Generalsekretär der sächsischen Union. Im Oktober 2017 wurde er zum Ministerpräsidenten in Dresden gewählt. Was für Kretschmer spricht ist, dass er zu den wenigen in der Unions-Führung gehört, die sich unter medialem Feuer nicht gleich in die Büsche schlagen. So bekannte er sich wiederholt zu einer deutschen Leitkultur als „verbindende Rahmenkultur“ sowie zu Begriffen wie „Heimat und Patriotismus“. Zudem beklagte er die mangelnde Integrationsbereitschaft eines großen Teils der in Deutschland lebenden Migranten. Bei den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 verteidigte er seine Landsleute gegen pauschale Verunglimpfungen insbesondere aus dem Westen, und während der Corona-Pandemie war er einer der wenigen Spitzenpolitiker, die Gespräche mit Corona-Skeptikern führten. Was ebenfalls für Kretschmer spricht sind seine Äußerungen nach dem 26. September. Während Laschet noch von einem Regierungsauftrag sprach, warnte Kretschmer vor einem sturen „Weiter so“, da schließlich der bisherige Kurs zum Absturz der Partei geführt habe.

Interessant wird auch der künftige Weg von JU-Chef Tilman Kuban (34) sein. Seit dieser 2019 an die Spitze des Parteinachwuches gewählt wurde, hat er etwa mit Forderungen, Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abzuweisen, oder deutsches Recht auch konsequent anzuwenden („schließlich gilt hier nicht die Scharia“) sowie auch mit seiner Kritik an der gedanklichen „Gleichschaltung“ in der CDU regelmäßig die Parteiführung verschreckt. Im jüngsten Wahlkampf war er jedoch kaum zu vernehmen. Dennoch zog Kuban am 26. September über die Landesliste Niedersachsen in den Bundestag. 

Bundesweit bislang kaum wahrgenommen wurde der Hamburger Christoph Ploß. 1985 geboren, zog dieser 2017 in den Bundestag ein und wurde im September 2020 zum Landesvorsitzenden der CDU in der Hansestadt gewählt. Mit der Ablehnung von Bündnissen mit den Grünen (da diese „die Freiheit von immer mehr Bürgern einschränken wollten, die Antifa hofierten und Linksextremismus verharmlosten“ ) sowie einer klaren Ablehnung der Gender-Sprache gehört Ploß zu den wenigen in der Führung seiner Partei, die an dem alten Wertekanon der Union festhalten. Auch wenn Kuban und Ploß derzeit nicht für den CDU-Vorsitz in Frage kommen, könnten sie künftig eine größere Rolle spielen. 

Die Frage ist, ob und wann die politischen Talente der Union „laufen lernen“, wie dies die damalige CDU-Generalsekretärin Angela Merkel 1999 in ihrem legendären „FAZ“-Artikel von ihrer Partei im Verhältnis zum damaligen Übervater Helmut Kohl gefordert hatte. Heute gilt es für die Christdemokraten, sich von der „Übermutter“ Merkel zu emanzipieren. Das verheerende Wahlergebnis mahnt, damit nicht allzu lange zu warten.