28.03.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / AfD / Der Streit hat erst begonnen / Dass sich die Parteiflügel noch einmal zusammenraufen, ist nicht auszuschließen, aber alles andere als sicher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

AfD
Der Streit hat erst begonnen
Dass sich die Parteiflügel noch einmal zusammenraufen, ist nicht auszuschließen, aber alles andere als sicher
Peter Entinger

Ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, ist oft eine Frage der eigenen Intentionen. Die beiden Spitzenkandidaten der AfD für die Bundestagswahl, die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel und Bundessprecher Tino Chrupalla, stellten das Ergebnis von 10,3 Prozent als stark dar. Jörg Meuthen, der zweite Bundesvorsitzende, der nicht für den Bundestag kandidierte, sprach dagegen von „schmerzlichen Verlusten“ und warnte davor, das Resultat „in Altparteienart schönzureden.“ Es war ein Seitenhieb, der gesessen hat. Denn nichts in der AfD gilt als verpönter, als mit der ungeliebten Konkurrenz verglichen zu werden. 

Björn Höcke, Landeschef in Thüringen und Wortführer der Parteirechten, der mit 24 Prozent das zweitbeste Ergebnis nach Sachsen einfuhr, analysierte das Wahlergebnis mit dem Hinweis, dass die AfD dort stark sei, wo sie einen eigenständigen Kurs ohne Anbiederung fahre. „Wir werden natürlich schauen: Was haben wir in den östlichen Bundesländern besser gemacht als in den westlichen“, kündigte Chrupalla an. Und Höckes Co-Landeschef Stefan Möller erklärte: „Es wäre sinnvoll, von den Ostverbänden zu lernen.“ 

Dass die Stimmung in der Partei gereizt ist, zeigte schon die konstituierende Sitzung der Bundestagsfraktion. Die Wahl der neuen Spitze musste aufgrund der anhaltenden Diskussionen sogar verschoben werden. Und schon jetzt bringen sich die Akteure in Stellung. Im Dezember wird ein neuer Bundesvorstand gewählt. 

Ost-West-Gegensatz

Seit dem maßgeblich von Meuthen betriebenen Parteiausschluss des früheren Brandenburger AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz steht der Europaabgeordnete auf der Abschussliste des formal aufgelösten „Flügels“. Zur Zukunft der AfD sagt Meuthen nur noch kryptisch: „Wir müssen schauen, in welche Richtung bewegt sich diese Partei, kommen wir da auf einen gemeinsamen Nenner oder kommen wir das nicht.“ Ob er auf dem Parteitag in Wiesbaden noch einmal antritt, ist offen. Meuthen, so sagen es Leute aus seinem Umfeld, sei niemand, der sehenden Auges in eine Niederlage läuft. 

Fest steht, dass sich die Partei in einem Teufelskreis befindet. In den mitteldeutschen Bundesländern ist sie Volkspartei. Dort gewann sie 16 Direktmandate, dort funktioniert die mediale und gesellschaftliche Ausgrenzung nicht mehr. Die Funktionäre treten selbstbewusster auf, können präsenter Wahlkampf machen. 

Bundesvorstandswahl im Dezember

Im Westen ist die Lage anders. „Was bringen mir Ratschläge aus dem Osten, wie ich Wahlkampf führen soll, wenn wir nicht einmal eine Versammlungsstätte finden, die uns aufnimmt“, stöhnte der Hamburger Landeschef Dirk Nockemann schon vor Wochen. Bezeichnenderweise schaffte die AfD in der Hansestadt mit Ach und Krach fünf Prozent. 

Im Osten der Republik sagen sie, es sei der moderate Kurs der Westverbände, der für derartige Ergebnisse verantwortlich sei. Die kontern mit dem Hinweis, der radikalere Ost-Kurs verprelle die bürgerlichen Wähler in der alten Bundesrepublik. „Die bürgerliche Mitte ist ein Phantom“, sagt Höcke. „Wir müssen die bürgerliche Mitte erreichen“, sagt Meuthen. 

Dass sich die Streithähne noch einmal zusammenraufen, ist nicht auszuschließen, aber alles andere als sicher. Augenscheinlich aber ist, dass die AfD in westdeutschen Großstädten wie München, Stuttgart oder Frankfurt am Main keine relevante Größe (mehr) ist. Vordergründig heißt der Konflikt „sozialpa-triotisch“ gegen „wirtschaftsliberal“. Im Hintergrund geht es vor allem um die Angst vor dem Verfassungsschutz. „Politische Bettnässerei“ sei das, höhnt Höcke, während West-Parlamentarier beklagen, dass sie kaum geeignete Mitarbeiter fänden. Die Angst vor negativen Konsequenzen sei zu groß. 

Dass Meuthen und Chrupalla noch einmal ein Spitzenduo bilden, kann sich niemand vorstellen. Weidel ist bei den Rechten mehr geduldet als geliebt. Das zeigen die Querelen um ihre Wiederwahl als Fraktionsvorsitzende. Zudem könnten Rufe laut werden, Partei- und Fraktionsämter zu trennen. Aber sie ist neben Meuthen die einzig bekannte Funktionsträgerin aus dem Westen. Bis Dezember ist noch reichlich Zeit. Sicher ist nur, dass der Streit erst begonnen hat.