19.04.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / Wohnungsmarkt / Enteignungspläne drohen zu scheitern / Staatsrechtler: Das Gesetz macht „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ einen Strich durch die Rechnung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

Wohnungsmarkt
Enteignungspläne drohen zu scheitern
Staatsrechtler: Das Gesetz macht „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ einen Strich durch die Rechnung
Norman Hanert

Parallel zu den Wahlen zum Bundestag und zum Landesparlament haben die Berliner am 26. September auch über die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ abgestimmt. Doch obwohl der Volksentscheid mit 56,3 Prozent eine hohe Zustimmung erhalten hat, ist eine Umsetzung des Vorhabens keineswegs sicher. Die SPD-Spitzenkandidatin und Wahlgewinnerin Franziska Giffey hatte bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie den Enteignungsplänen gegen große Wohnungsunternehmen ablehnend gegenüber steht. Durch Vergesellschaftung würden Entschädigungssummen in Milliardenhöhe fällig, „die nicht dazu führen, dass auch nur eine einzige neue Wohnung entsteht“, so Giffey.

Als voraussichtlich nächste Regierende Bürgermeisterin von Berlin kündigte Giffey dennoch an, das Ergebnis der Abstimmung respektieren zu wollen. Sie schränkte jedoch ein, erst müsse rechtlich geprüft werden, ob ein entsprechendes Gesetz auch umgesetzt werden könne. Wenige Tage vor dem Volksentscheid hatte bereits der Staatsrechtler Ullrich Battis ein Rechtsgutachten vorgelegt, das er für den Verein „Neue Wege für Berlin“ verfasst hat. Der wirtschaftsnahe Verein setzt sich für den Neubau von 100.000 Wohnungen im mittleren Preissegment ein, um die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu entschärfen.

Giffey ist sowieso dagegen

In ihrem Gutachten weisen der emeritierte Berliner Professor sowie seine Mitverfasser von der Kanzlei GSK auf massive juristische Probleme im Zusammenhang mit dem Berliner Vergemeinschaftungsplan hin. An sich sieht der Artikel 15 des Grundgesetzes durchaus die Möglichkeit vor, „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ in Gemeineigentum zu überführen. Bei der Vorstellung seines Gutachtens erklärte der Staatsrechtler allerdings, er könne „sicher voraussagen, dass es vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird“. Wie beim Mietendeckel fehle es dem Land Berlin an der Gesetzgebungskompetenz, um überhaupt ein Vergesellschaftungsgesetz für Wohnungen zu erlassen. Battis und seine Mitautoren  sehen diese Kompetenz beim Bund. Dieser habe aber bereits umfassende Regelungen im Bereich des sozialen Mietrechts erlassen, die dieselbe Sachmaterie betreffen. Und die Bundesländer dürften keine Gesetze zur Regelung von Sachverhalten erlassen, die der Bund bereits per Gesetz geregelt hat, so Battis. 

Als ganz entscheidenden Punkt, warum das geforderte Vorgehen vor Gericht scheitern werde, sehen Battis und seine Mitautoren den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an. Demnach sei der Eingriff in Privateigentum nicht erforderlich, „da dem Gesetzgeber etliche andere Maßnahmen zur Steuerung des Wohnungsmarktes zur Verfügung stehen“.

Für das Bundesverfassungsgericht könnte im Zusammenhang mit der Enteignung großer Wohnungsunternehmen auch die Frage der Gleichbehandlung eine Rolle spielen. Die Initiatoren des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zielen auf Unternehmen mit mehr als 3000 Bestandswohnungen in Berlin ab. Die betroffenen Firmen können durchaus mit Recht argumentieren, dass es sich dabei um eine völlig willkürlich gesetzte Marke handelt. Bei der Vorstellung des Gutachtens ging Battis auch auf die Kosten des Vorhabens ein. Laut Schätzungen von Immobilienexperten sind von dem Plan zur Vergemeinschaftung ein Dutzend Unternehmen mit insgesamt etwa 243.000 Wohnungen betroffen. 

Kosten bis zu 40 Milliarden Euro

Nach den Vorstellungen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sollen die Unternehmen „deutlich unter Marktwert“ entschädigt werden. Vor diesem Hintergrund nannte die Initiative Entschädigungskosten, die in einem Bereich von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro liegen. Battis argumentiert dagegen, bei der Festsetzung der Entschädigungssumme dürfe der Verkehrswert der Immobilien „nicht beliebig weit unterschritten werden“. Zur Begründung für eine „echte Entschädigung“ verwies der Rechtsgelehrte auf siebzig Jahre Rechtsprechung. Dementsprechend geht Battis von Entschädigungskosten aus, die bis zu 40 Milliarden Euro betragen können.

Ein Konzept der Enteignungsaktivisten sieht obendrein vor, dass eine Anstalt öffentlichen Rechts Schuldverschreibungen ausgibt, mit denen die Wohnungsunternehmen entschädigt würden. Die Schuldverschreibungen sollen dann über einen Zeitraum von 40 Jahren aus Mieteinnahmen getilgt werden. Aus Sicht der Gutachter stellt dieser Weg aber eine verfassungsrechtlich unzulässige Umgehung der Schuldenbremse dar. Battis sprach im Zusammenhang mit den Vorstellungen einiger Akteure sogar von einer „ungeheuren Naivität“, wenn Zuwendungen des Länderfinanzausgleichs zur „Einführung des Sozialismus in Berlin“ genutzt werden sollten.