19.04.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / Karl-Marx-Monument / Nur ein russischer Lenin-Kopf ist größer / Vor 50 Jahren wurde der Nischl eingeweiht – Chemnitz feiert das Jubiläum mit einem „Geburtstags-Programm“ am 9. Oktober

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

Karl-Marx-Monument
Nur ein russischer Lenin-Kopf ist größer
Vor 50 Jahren wurde der Nischl eingeweiht – Chemnitz feiert das Jubiläum mit einem „Geburtstags-Programm“ am 9. Oktober
Manuel Ruoff

Das Karl-Marx-Monument im Stadtzentrum von Chemnitz an der Brückenstraße nahe der Kreuzung zur Straße der Nationen ist nach dem sechs Dezimeter höheren Lenin-Kopf im sibirischen Ulan-Ude die zweitgrößte Porträtbüste der Welt. Sie ist bereits ohne Sockel 7,1 Meter hoch und mit Sockel sogar über 13 Meter und hat ein Gewicht von zirka 40 Tonnen. Genau genommen ruht der Bronze-Kopf auf zwei Sockeln, die mit aus Korninskij in der Südukraine stammendem Granit verkleidet sind.

Der Platz war repräsentativ. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Denkmals befand sich schräg davor das damals noch im Bau befindliche Interhotel „Kongreß“, das heutige Dorint Kongresshotel Chemnitz, und dahinter der mittlerweile vom Landesamt für Steuern und Finanzen genutzte Sitz des Rates des Bezirkes. In die Front des letztgenannten Gebäudes eingebaut befindet sich auf Höhe des Denkmals ein vom ersten bis zum obersten Stockwerk reichender Schriftspiegel mit Karl Marx’ und Friedrich Engels’ Botschaft aus ihrem Kommunistischen Manifest „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch. Das ganze Areal nennt der Volksmund auch „Schädelstätte“, Marx’ Schädel im Zentrum des Ensembles auch „dor Nischl“ (der Schädel).

Entworfen von Lew Kerbel

Von Marx stammt das Wort „Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.“ In diesem Zusammenhang ist auch die repräsentative Ehrung von Marx zu sehen. Neben der erst nach dem Krieg aus dem Boden gestampften Stalinstadt/Eisenhüttenstadt sollte auch das schon vor der Errichtung des Sozialismus auf deutschem Boden bestehende Chemnitz eine marxistische Musterstadt werden. Deshalb wurde 1953 die sächsische Industriestadt samt dem nach ihr benannten Bezirk in „Karl-Marx-Stadt“ umbenannt. Mittlerweile heißt Chemnitz nicht mehr „Karl-Marx-Stadt“ und die Brückenstraße nicht mehr „Karl-Marx-Allee“. Das Denkmal für Karl Marx gibt es hingegen noch immer an seinem alten Platz. Und in gewisser Hinsicht prägt der Nischl trotz deren Rückbenennung noch immer den Namen der Straße, an dem er liegt, lautet dieser doch im Volksmund „Nischelgasse“ oder „Schädelgasse“. 

Zu einer Karl-Marx-Stadt gehört neben einer repräsentativen Karl-Marx-Allee auch ein nicht weniger repräsentatives Karl-Marx-Denkmal. Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen, und da das Beste für dieses repräsentative Projekt als gerade gut genug galt, wurde das für eine deutsche Stadt bestimmte Denkmal eines Deutschen aus der Sowjetunion bezogen. Mit der Marx-Figur wurde mit dem im Revolutionsjahr 1917 in der Ukraine geborenen Lew Kerbel einer der höchstdekorierten Künstler der Sowjetunion beauftragt. Erik Honeckers Freund hatte vorher bereits für die Rote Armee heroisierende Monumental-Bronzeplastiken geschaffen. 1945 hatte er mit dem Bildhauer Wladimir Zigal und dem Architekten Nikolai Sergijewskij das sowjetische Ehrenmal im Berliner Tiergarten entworfen. Von ihm stammt die zentrale Statur des Rotarmisten.

Gegossen in Leningrad

17 Grundentwürfe legte Kerbel vor. 16 davon sahen eine ganzheitliche Darstellung des zu Ehrenden vor. Die Entscheidung fiel für die einzige Ausnahme. Wie beim Entwurf verließ man sich auch bei der Ausführung auf Sowjets. In Leningrad in der Kunstgießerei Monument Skulptura wurde der Kopf in Bronze gegossen und anschließend für den Transport nach Deutschland in 95 Einzelteile zerlegt. Mit dem Wiederzusammenschweißen wurde dann aber doch lieber der deutsche VEB Germania beauftragt, um einem Reißen der Schweißnähte vorzubeugen. 

Vor einem halben Jahrhundert war es dann so weit. Am 9. Oktober 1971 wurde das eineinhalb Millionen Mark der DDR teure Monument in Anwesenheit von einer Viertelmillion Menschen, darunter Honecker und Marx’ Urenkel Robert-Jean Longuet, eingeweiht. 

Über drei Jahrzehnte nach dem Ende des real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden ist von der Beseitigung des Denkmals für den deutschen Theoretiker des Sozialismus keine Rede mehr. Vielmehr wird in Chemnitz das 50. Jubiläum gefeiert. Das sogenannte Geburtstagsprogramm der Stadt Chemnitz und der C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren reicht am Jubiläumssonnabend von 10 bis 21 Uhr sowie von der Eröffnung der Ausstellung „DENKmal Karl Marx. Propagiert, verschmäht, vermarktet – ein Monument und seine Stadtgeschichte“ im sogenannten Open Space hinter dem Kopf über eine Diskussion mit Zeitzeugen, einer Denkmalschützerin und einem Historiker zum Thema „50 Jahre Nischel – DENKmal weiter“ gleichfalls im Open Space hinter dem Kopf bis zur sogenannten Geburtstagsparty auf einer Bühne neben dem Kopf.

Nähere Informationen zum Geburtstags-Programm stehen im Netz unter www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/geschichte/nischel/index.html