19.04.2024

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Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021 / Politik / Ein Hochschullehrer und ein Ex-Luft-waffenoffizier analysieren Deutschland / Verfassung, umfassende Digitalisierung, föderaler Staatsaufbau, Ausweitung der Bürgerbeteiligung und Klimapolitik: Zwei Bundestagsabgeordnete informieren über den Zustand der Republik und halten eine Reihe von Lösungsvorschlägen für eine Erneuerung bereit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-21 vom 08. Oktober 2021

Politik
Ein Hochschullehrer und ein Ex-Luft-waffenoffizier analysieren Deutschland
Verfassung, umfassende Digitalisierung, föderaler Staatsaufbau, Ausweitung der Bürgerbeteiligung und Klimapolitik: Zwei Bundestagsabgeordnete informieren über den Zustand der Republik und halten eine Reihe von Lösungsvorschlägen für eine Erneuerung bereit
Felix Dirsch

Die Versuche der politischen Klasse und ihrer vielfältigen Unterstützer in Medien und der Bevölkerung, die Interessen des eigenen Landes entweder komplett zu ignorieren oder wenigstens zu marginalisieren, sind offenkundig. 

Thilo Sarrazin hat in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ vor über einem Jahrzehnt nur einen (wenn auch relevanten) Ausschnitt solcher Schädigungsbestrebungen präsentiert, nämlich die Immigrationspolitik samt Konsequenzen. Mittlerweile sind, von weiteren Haftungsübernahmen auf der Ebene der Europäischen Union über die fast zwangsläufig zu einer Versorgungslücke führende, sogenannte Energiewende bis zur (auch ökonomisch) so folgenreichen Corona-Politik, weitere Eckpunkte einer destruktiven politischen Grundausrichtung mit Händen zu greifen. Sie gehören allesamt zum verheerenden Erbe der Ära Merkel.

Erbe der Ära Merkel

Die AfD-Bundestagsabgeordneten Lothar Maier und Gerold Otten wollten den zahlreichen Zustandsbeschreibungen unseres Landes nicht nur eine weitere hinzufügen. Dem früheren Hochschullehrer und seinem Co-Autor, einem ehemaligen Luftwaffenoffizier, liegt vielmehr daran, Lösungsvorschläge aufzuzeigen. 

Beiden gelingt dies in fast erschöpfender Weise. Maier und Otten kommen ihre fundierten politologischen wie juristischen Kenntnisse zugute. Sie widmen sich nach einer kursorischen Darlegung der bekannten hiesigen Zustände einer detaillierten Verfassungsanalyse. Dabei erörtern sie nicht nur bestehende Verfassungsartikel, sondern schlagen auch Formulierungen für eine verbesserte Konstitution vor. Eine kurzfristige Realisierung ist jedoch unwahrscheinlich.

Zustand der Verfassung

Wie weit das Verfassungsrecht des Bundes und der Länder in den Alltag der Menschen hineinreicht, zeigt nicht zuletzt das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, das im November 2020 vom Bundestag nochmals abgeändert wurde. Viele Beobachter sehen in diesem Gesetzeswerk ein neues Ermächtigungsgesetz mit weitreichenden Befugnissen der Exekutive. Die Gefahren eines perpetuierten Ausnahmezustandes sind kaum zu leugnen. Vor einem solchen Hintergrund erübrigt sich eine Rechtfertigung der Studie von Maier und Otten. Zentral wird schon am Beginn das Heimatrecht exponiert.

Aber noch in einer weiteren Hinsicht ist die Unternehmung interessant: Die Pandemie-bedingte Forcierung des Umbruchs hin zu einer umfassenden Digitalisierung zeigt Auswirkungen auch auf Recht und Politik. So wird es bald intensivierte Kontroversen über eine nachhaltige Verfassungsreform geben. Einen Entwurf hat aus dem liberal-konservativen Lager bereits der Jurist Carlos A. Gebauer („Grundgesetz 2030“) kürzlich vorgelegt.

Die ausführliche Betrachtung der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Detail verwundert in einem Buch über einen projektierten Neustart Gesamtdeutschlands nur auf den ersten Blick. Der föderale Staatsaufbau beginnt in der Tat von unten und reicht über Kommunen und Bundesländer. Im Mittelpunkt der Reformpläne der Autoren steht eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung. Weiter werden Überlegungen zur Stärkung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden angestellt. Das konstitutionelle Bekenntnis zur Heimat wird ebenso herausgestellt wie das Verbot staatlicher Spracheingriffe. Das Zusammenwirken der politischen Organe stellen die beiden Verfasser ausführlich dar.

Plädoyer der Autoren

Ausführlich wird das Grundgesetz interpretiert, vor allem die Grundrechte. Hervorzuheben ist das Plädoyer der Autoren für den Schutz ungeborenen Lebens, vor allem auf der Grundlage einer kulturchristlichen (nicht unbedingt konfessionellen) Argumentation. Wohl auch aufgrund der Stofffülle dürfte der Leser an manchen Stellen den Eindruck gewinnen, dass die Materie zu oberflächlich abgehandelt werde. Exemplarisch sind die kurzen Ausführungen zum Klimawandel zu nennen. Die Klimamodelle der medial-omnipräsenten Alarmisten, etwa vieler Mitarbeiter des Weltklimarats, seien nicht besonders aussagekräftig, wie die beiden (im Allgemeinen sehr kundigen) Autoren meinen. Hinzuzufügen ist auch: Der verstärkte Einsatz von Windrädern steht nicht nur aus ästhetischen Gründen in der Kritik.

Ungeachtet kleinerer Einwände ist die Publikation ein großer Gewinn vornehmlich für Leser, die sich für die AfD engagieren. Zur Verbreitung der Darstellung wird wohl nicht beitragen, dass sie (besonders vom sprachlichen Duktus her) einerseits den Wahlkampfmodus im Hintergrund nicht verbergen kann; andererseits erfordern Umfang und das relativ hohe Niveau der Schrift einige Anstrengungen vom Leser. Wer das Buch dennoch gründlich studiert – pointiert zusammengefasst in den „zwölf Geboten von ’schlant“ – ist über die Lage in Deutschland so informiert wie auch beunruhigt. Die Vorschläge zur Heilung des infizierten Staatskörpers sind beachtlich. 

Lothar Maier/ Gerold Otten (Hg.): „Deutschland schafft sich neu. Bund – Länder – Grundgesetz“, Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2021, gebunden, 609 Seiten, 26,90 Euro