20.04.2024

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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Corona / „Relativ bescheiden“ / Schweizer Wissenschaftler kritisieren den „Gesamtbeitrag Deutschlands zur weltweiten Forschungsagenda für klinische Studien zu Covid-19“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Corona
„Relativ bescheiden“
Schweizer Wissenschaftler kritisieren den „Gesamtbeitrag Deutschlands zur weltweiten Forschungsagenda für klinische Studien zu Covid-19“
Wolfgang Kaufmann

Wissenschaftliche Studien zum Thema Corona sind eine unverzichtbare Grundlage für Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Krankheitserregers SARS-CoV-2 und zur adäquaten Behandlung von COVID-19-Fällen. Auf diesem wichtigen Gebiet hinkt Deutschland auffallend weit hinterher. Das geht aus einer Veröffentlichung von sechs Wissenschaftlern um Lars G. Hemkens vom Universitätsklinikum Basel hervor, die im Journal „F1000Research“ erschienen ist und den Titel trägt „Clinical trial research on COVID-19 in Germany – a systematic analysis“ (Klinische Studien zu COVID-19 in Deutschland – eine systematische Analyse).

Wie die Autoren den einschlägigen Datenbanken entnehmen konnten, wurden im vergangenen Jahr weltweit um die 3000 wissenschaftliche Corona-Studien unter Beteiligung von erkrankten oder gesunden Probanden durchgeführt. Und von diesen auffallend wenig Untersuchungen verliefen die meisten auch noch komplett im Sande, elf davon gleich in der unmittelbaren Anfangsphase. Erfolgreich zu Ende geführt werden konnten lediglich 14, obwohl der bundesdeutsche Steuerzahler die Projekte mit insgesamt 1,6 Milliarden Euro subventioniert hat.

Untersuchungszeitraum 2020

Darüber hinaus ließ die Qualität der Studien sehr zu wünschen übrig. Im Durchschnitt sollten 106 Personen in die jeweilige Untersuchung einbezogen werden, was an sich schon die untere Grenze darstellte, wenn man bedenkt, dass international mehr als das Doppelte Standard war. Letztendlich lag die Zahl der Probanden dann aber im Mittel sogar nur bei 15. So nahm lediglich nur einer von 100 stationär versorgten Corona-Patienten an einer klinischen Studie teil. Zum Vergleich: In Großbritannien betrug deren Anteil fast 20 Prozent. Jugendliche ab zwölf Jahren fanden in fünf Studien Berücksichtigung, Kinder überhaupt nicht.

Des Weiteren wiesen Hemkens sowie dessen Kollegen Julian Hirt, Abeelan Rasadurai, Matthias Briel, Pascal Düblin und Perrine Janiaud nach, dass die deutschen Untersuchungen ausschließlich das Ziel verfolgten, Impfstoffe zur Krankheitsprävention oder neue pharmakologische Therapien zwecks Behandlung von Covid-19 mit antiviralen Mitteln, Antikörpern, Rekonvaleszenzplasma und Medikamenten wie Hydroxychloroquin zu finden, wobei der Schwerpunkt ganz eindeutig auf den Impfstoffstudien lag. 

Die Mechanismen der Verbreitung des Erregers SARS-CoV-2 unter den Menschen wurden ebenso wenig erforscht wie die Wirksamkeit der vom Staat verordneten Corona-Maßnahmen vom Maskenzwang über Abstandsregeln bis hin zu Ausgangssperren. Keine einzige Studie hatte die Verhältnisse in Alters- und Pflegeheimen, Kindertagesstätten oder Schulen im Fokus, obwohl diesen Einrichtungen eine besondere Rolle in der Pandemie nachgesagt wurde.

2021 wird kaum anders

Dabei gab es durchaus Interesse an Untersuchungen zur Wirksamkeit nicht-pharmakologischer Interventionen zur Eindämmung der Pandemie. So beantragte der Münchener Physiker und Aerosolforscher Gerhard Scheuch, der unter anderem das Robert-Koch-Institut berät, Fördermittel für zwei Studien zum Thema Ausbreitung des Virus in atmungsbedingten Aerosolwolken. In dem einen Falle sollten die Untersuchungen in Seniorenheimen stattfinden, in dem anderen ging es um die Frage, wie infektiös Kinder sein können. Das Bundesgesundheitsministerium hat es abgelehnt, diese Studien zu finanzieren, woraufhin Scheuch dann wenigstens das letztgenannte Forschungsvorhaben mit Spendengeldern auf den Weg brachte.

Aus all dem zogen die Schweizer Wissenschaftler den Schluss: „Der Gesamtbeitrag Deutschlands zur weltweiten Forschungsagenda für klinische Studien zu COVID-19 war relativ bescheiden“. Dieses Urteil bezieht sich zwar nur auf das Jahr 2020, jedoch zeigen die Zahlen von 2021 auch keine anderen Verhältnisse. Seit Januar registrierte das Autorenteam um Hemkens lediglich noch drei zusätzliche kleinere Studien mit 64 bis 130 Patienten.