24.04.2024

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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Evergrande Group / Furcht vor einem zweiten Lehman Brothers / Die Krise um Chinas zweitgrößtes Immobilienunternehmen droht vor allem für die Volksrepublik zur Belastung zu werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Evergrande Group
Furcht vor einem zweiten Lehman Brothers
Die Krise um Chinas zweitgrößtes Immobilienunternehmen droht vor allem für die Volksrepublik zur Belastung zu werden
Wolfgang Kaufmann

Am 15. September 2008 meldete die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers, die sich maßgeblich am Geschäft mit Immobilienkrediten beteiligt hatte, Insolvenz an. Damit erreichte die damalige globale Finanzkrise ihren Höhepunkt. In diesem sogenannten Lehman-Moment rasten plötzlich Schockwellen durch das weltweite Bankensystem. Kapital im Umfang von vier Billionen US-Dollar wurde dadurch letztendlich vernichtet. 

Nun ist es mit der Evergrande Group der zweitgrößte chinesische Immobilienkonzern, der in Turbolenzen geraten ist. Allerdings ist der chinesische Immobilienmarkt viel mehr vom Ausland abgeschottet, als es weiland der US-amerikanische Finanzmarkt war, sodass die Auswirkungen dieses Mal möglicherweise weniger global ausfallen werden.

Das 1996 gegründete Unternehmen des Milliardärs Xu Jiayin betreute bislang um die 1300 Bauprojekte in 280 Städten und hat fast 250 Tochterfirmen. Nun steht es vor einem gigantischen Schuldenberg in Höhe von umgerechnet mehr als 300 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung von Finnland oder zwei Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes. 

Die Probleme von Evergrande resultieren aus der neuen Politik der „Drei Roten Linien“. Das sind finanztechnische Vorschriften der Regierung in Peking, denen zufolge das Verhältnis aller Verbindlichkeiten zu den vorhandenen Vermögenswerten unter sieben zu zehn liegen muss und der Nettoverschuldungsgrad unter 100 Prozent liegen muss. Darüber hinaus haben die liquiden Mittel die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu übersteigen.

Politik der „Drei Rote Linien“

Der Immobilienkonzern, der in der Vergangenheit vor allem durch eine exzessive Kreditaufnahme expandieren konnte, erfüllte in letzter Zeit keine dieser Vorgaben. Deshalb fällt es ihm immer schwerer, an frisches Geld zu kommen. Eine Rettung in dieser Situation könnten Immobilienverkäufe oder die Generierung von Kapital durch die Veräußerung von Unternehmensanteilen sein. Doch Xu setzt offenbar lieber auf Durchhalteparolen. So schrieb er kürzlich in einer Rundmail an seine 130.000 Angestellten: „Ich glaube fest daran, dass Evergrande niemals aufgeben wird; und je mehr Schwierigkeiten das Unternehmen erfährt, desto stärker wird es am Ende.“ Schon bald habe die Firma ihre „dunkelsten Momente“ überwunden.

Weil Evergrande mittlerweile nicht mehr in der Lage ist, fertige Wohnungen an seine rund eine Million Kunden zu übergeben, die diese im Voraus bezahlt hatten, fiel der Aktienkurs des Konzerns seit April vergangenen Jahres um 95 Prozent. Mehrere internationale Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Unternehmens deutlich herab, denn Zahlungsausfälle seien nun „wahrscheinlich“. Und vorletzten Montag wurde der Handel mit Evergrande-Aktien an der Hongkonger Börse sogar komplett ausgesetzt. Das führte zu wütenden Protesten von Chinesen, welche befürchten, dass sie weder die bezahlte Wohnung erhalten noch ihr Geld wiedersehen.

Nun auch die Sinic Holdings Group

Dadurch wiederum wächst bei der Regierung in Peking nun die Angst vor sozialen Unruhen. So ergingen vor Kurzem Instruktionen an die Lokalregierungen, sich für der Fall der Evergrande-Pleite auf einen „möglichen Sturm“ einzustellen. Dazu gehöre, Gespräche mit anderen Immobilienunternehmen zu führen, was die zügige Fortsetzung der Bauprojekte betreffe. Gleichzeitig sollten die Polizei- und Justizbehörden, aber auch Eingreifteams bereitstellen, um bei „Massenereignissen“ schnell und hart reagieren zu können.

Das deutet darauf hin, dass die chinesische Regierung nicht vorhat, dem schwankenden Immobilienriesen unter die Arme zu greifen, und das, obwohl Evergrande mit 90 Prozent vor allem bei chinesischen und nicht etwa ausländischen Banken verschuldet ist. Sollten diese ihr Geld abschreiben müssen – alleine bis März 2022 muss Evergrande Anleihen in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar bedienen –, könnte das die Möglichkeiten der Banken beschränken, Kredite an andere Unternehmen in und außerhalb der Immobilienbranche auszureichen. Dann droht ein ähnlicher Dominoeffekt wie 2008.

Wie nun bekannt wurde, sind inzwischen noch zwei weitere chinesische Immobilienkonzerne in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Vorletzten Montag erklärte sich die Fantasia Holdings Group für außerstande, abgelaufene Anleihen in Höhe von 314 Millionen Dollar zurückzuzahlen. Und die Sinic Holdings Group wird die 246 Millionen Dollar Zinsen, die bei ihr Mitte Oktober fällig werden, wohl ebenfalls schuldig bleiben müssen.