28.03.2024

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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Preußens Innenpolitik des 18. Jahrhunderts / Ostpreußen ein „Stiefkind“? / Friedrich der Große lässt sich nicht allein durch Ressentiments leiten und sorgt für Wachstum und Wohlstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Preußens Innenpolitik des 18. Jahrhunderts
Ostpreußen ein „Stiefkind“?
Friedrich der Große lässt sich nicht allein durch Ressentiments leiten und sorgt für Wachstum und Wohlstand
Wolfgang Kaufmann

Im Jahre 1885 publizierte der Insterburger Landgerichtspräsident Otto van Baren in der „Altpreußischen Monatsschrift“ einen Artikel mit dem Titel „Der Zorn Friedrichs des Großen über Ostpreußen“. 1937 urteilte der bekannte Preußen-Historiker Bruno Schumacher: „Des großen Friedrichs Liebe hat Ostpreußen nie besessen.“ In ähnlichem Sinne äußerten sich 1987 Stefan Hartmann und 2012 George Turner. Der letztere meinte dabei, das Verhältnis des Alten Fritz zu Ostpreußen sei zwar „korrekt“, aber „lieblos“ gewesen. Schumacher nannte als Grund vor allem „das Verhalten der Provinz im Siebenjährigen Kriege“. Und tatsächlich hatte es Friedrich den Großen erheblich verärgert, dass die ostpreußische Regionalregierung angesichts des Heranrückens einer 55.000 Mann starken russischen Armee unter dem Grafen Stepan Apraxin am 15. August 1757 in Panik nach Danzig geflohen war. Wobei Apraxin seine Übermacht aber nicht ausnutzte und noch vor der Einnahme von Königsberg den Rückzug antrat. Als weiterer schwerer Affront der Ostpreußen gegenüber ihrem König gilt deren Treueeid an die Adresse der russischen Zarin Elisabeth I. im Anschluss an die spätere Besetzung der Provinz durch die Truppen des Grafen Wilhelm von Fermor. Wobei die Huldigung noch dazu am 24. Januar 1758 erfolgte, also dem 46. Geburtstag von Friedrich II.

Ein Ärgerniss für den Alten Fritz

Das erklärt, warum sich der König bereit zeigte, dem auf Elisabeth nachfolgenden Zaren Peter III. alias Karl Peter Ulrich von Schleswig-Holstein-Gottorf Ostpreußen im Austausch gegen anderweitige Zugeständnisse anzubieten. Eine derartige Geheimorder hatte er seinem zu Friedensgesprächen nach St. Petersburg geschickten Unterhändler Oberst Wilhelm Bernhard von der Goltz im Frühjahr 1762 mit auf den Weg gegeben.

Ebenso auffällig war Friedrichs Vernachlässigung des Königsberger Schlosses – eigentlich ein wichtiges Symbol des Königreiches Preußen. Immerhin hatte sich hier der Kurfürst Friedrich III. am 18. Januar 1701 zum König in Preußen gekrönt. Aber das Schloss galt ebenso als traditioneller Sitz der Landesverwaltung und somit auch als Symbol der Macht der ostpreußischen Stände, die erst zur Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, dem Urgroßvater Friedrichs II., gebrochen werden konnte. Deshalb demonstrierte der König bereits bei den Huldigungsfeierlichkeiten anlässlich seiner Thronbesteigung deutliches Desinteresse: Unmittelbar nach der eigentlichen Zeremonie am 20. Juli 1740 begab er sich mit einigen handverlesenen Offizieren und Staatsdienern in sein Königsberger Stadtpalais und ließ die 340 Abgesandten der Stände allein im Schloss zurück.

Doch das ist bloß die eine Seite der Medaille, denn Friedrich der Große war ein viel zu rationaler Herrscher, als dass er sich lediglich von Ressentiments hätte leiten lassen. Das zeigt der Blick auf seine sonstige Ostpreußen-Politik, welche es nicht erlaubt, die Provinz als bloßes Stiefkind der brandenburgisch-preußischen Monarchie zur Zeit von Friedrich II. zu bezeichnen.

So nahm der König sehr viel Rücksicht auf die Befindlichkeit der Vertreter der obersten Provinzialbehörden, indem er bei der Umgestaltung der Verwaltung in Ostpreußen zwecks praktischer Durchsetzung seiner absolutistischen Staatsauffassung althergebrachte Titel wie „Regierung“ ein ums andere Mal unangetastet ließ oder zumindest deutliche Anleihen bei diesen nahm. Beispielsweise hielt Friedrich der Große noch im Jahre 1781 an den traditionellen Bezeichnungen fest, als er eine Trennung der Gerichts- und Verwaltungsbehörde verfügte und jene weiterhin „Ostpreußische Regierung“ nannte.

Unterstützung für Ostpreußens Verwaltung, Agrarstruktur und Zoll

Ebenso setzte Friedrich II. die Politik seines Vaters und Großvaters fort, was die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Landbevölkerung betraf. In diesem Zusammenhang ernannte er 1746 den tatkräftigen Johann Friedrich Domhardt zum Kriegs- und Domänenrat in der Königsberger und Gumbinner Kammer. Der avancierte bis 1762 sukzessive zum Präsidenten der Königsberger Kammer und erwarb sich große Verdienste um den Ausbau der agrarischen Infrastruktur in der Provinz, welche durch den Siebenjährigen Krieg stark gelitten hatte. Dafür wurde er 1771 sogar in den Adelsstand erhoben.

Und dann sorgte Friedrich der Große auch noch durch eine kluge Zoll- und Ausfuhrpolitik für Wachstum und Wohlstand in Ostpreußen. Nach anfänglicher Weigerung, dem Drängen der Königsberger Kaufleute auf völlige Freigabe des Getreidehandels nachzukommen, änderte er seine Meinung 1750. Daraufhin erblühte der Handel insgesamt. So stieg der Wert der Ausfuhren aus dem Königsberger Hafen bis zu Friedrichs Tod im Jahre 1786 auf rund eine Million Taler. Ebenso erfolgreich verlief die Entwicklung in Memel und Braunsberg, weswegen Ostpreußen die höchsten Zolleinnahmen unter allen Provinzen des Reiches erwirtschaften konnte.

Die Mehrzahl der Ostpreußen vergalt diese Haltung des Königs gegenüber der Provinz durch eine ausgeprägte Loyalität, die auch und gerade während der russischen Besatzung demonstriert wurde.