20.04.2024

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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Östlich von Oder und Neiße / Seit 30 Jahren auf ein Pferd gesetzt / Die Deutsche Minderheit hat den Politikwandel in der Bundesrepublik verschlafen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Östlich von Oder und Neiße
Seit 30 Jahren auf ein Pferd gesetzt
Die Deutsche Minderheit hat den Politikwandel in der Bundesrepublik verschlafen
Chris W. Wagner

Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen und Sprecher der Deutschen Minderheiten in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten hatte viel Hoffnung in die Union bei der Bundestagswahl gesetzt. Für ihn waren die „Schwarzen“ die einzigen, die die Deutschen im Ausland ernstzunehmen scheinen, denn die jeweiligen Wahlprogramme der Parteien zeigen, dass die Deutsche Minderheit in der Republik Polen außer in dem Wahlprogramm der Union nirgendwo sonst erwähnt wird. 

Minderheitenpolitik nur der Union?

„Das heißt, die Minderheitenpolitik steht für die anderen Gruppierungen an einer weit entfernten Stelle“, sagte Gaida gegenüber dem „Wochenblatt.pl“, der Zeitung der Deutschen in der Republik Polen. Nun heißt es: umdenken. Nach Jahren des fast ausschließlichen Schielens in Richtung Union sitzt man jetzt vor einem Scherbenhaufen. Nun, so Gaida, müsse man neue Kontakte aufnehmen, damit die Minderheitenpolitik und Förderung in den Koalitionsvertrag und das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung hineinkomme.

„Daran sind wir nicht gewohnt, dass die dritt- und viertstärksten Kanzlermacher sind“, so Rafał Bartek, der aus Chronstau [Chrząstowice] bei Oppeln stammende Vorsitzende der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in der Region Oppeln, am Tag nach der Wahl. „Ich könnte mir keine kuriosere Situation vorstellen, als die, in der nicht der Sieger, sondern die Koalitionspartner sich in den Verhandlungen durchsetzen. Es ist unheimlich spannend, so spannend war es seit Jahren nicht mehr. Es zeigt auch, wie schwierig eine Nachfolge einer so starken Persönlichkeit wie Frau Merkel ist“, so Bartek, der sich sehr über das Direktmandat des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein, freut, „die Jahre lang nicht aufgestellt waren“.

Eine Fortsetzung einer Regierung unter dem Vorsitz der Union hätte den Deutschen in der Republik Polen das Leben einfacher gemacht, wusste man doch, mit wem zu sprechen war, da, wie Bartek sagt, die Verantwortlichen in den letzten Jahren nicht gewechselt haben. Da Bündnis 90/Die Grünen und die Freie Demokratische Partei in den letzten Jahren nicht regiert haben, „hatten wir selbstverständlich weniger Kontakt. Die SPD war nicht im zuständigen Resort vertreten“, sagte er.

In die Zukunft blicken

Ideen entwickeln und sich positiv darstellen, heißt es jetzt für die Organisation der Deutschen in der Republik Polen. Ein Beispiel der Darstellung, wer Deutsche in der Republik Polen sind, gab Bernard Gaida in Köslin. Am 2. Oktober wurde in der Kösliner Philharmonie das 30-jährige Bestehen des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen gefeiert. „Wir sind keine polnischen Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Nicht wir haben die Grenze überschritten, sie wurde über unsere Köpfe hinweg neu bestimmt (…) Hier wurden wir nur dann akzeptiert, wenn man uns für assimilierungsfähig angesehen hat“, so Gaida. „Deswegen sollte die deutsche Sprache als Kulturträger aus dem Leben der Menschen verbannt werden, um sie so besser polonisieren zu können“, sagte er weiter. „Unser größter Erfolg der letzten 30 Jahre ist vor allem unser Einsatz in der Gründung einer Bürgergesellschaft durch Hunderte von Konferenzen, Projekte, Schul-, Gemeinde- oder Gesellschaftspartnerschaften“, glaubt Gaida. Dieses wäre natürlich nicht ohne finanzielle Unterstützung des deutschen Staates möglich gewesen.

„Wenn wir keine Argumente vorlegen können, wieso die Sprache und Kultur geschützt, aber auch geschätzt werden soll, dann kommen wir, egal bei welcher Regierung, in Schwierigkeiten. Die Haushaltsplanung für 2020 bis 2022 wurde gemacht, wir wissen, woran wir nächstes Jahr sind, aber wir müssen jetzt strategisch nachdenken, wo wir in der Zukunft hinwollen“, sagte Bartek.