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Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021 / Ausbildung / Eine Frau übernimmt das Ruder / Runa Jörgens ist eine der wenigen Frauen, die als Kapitän zur See gefahren sind – Der PAZ berichtet sie von ihrem Werdegang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-21 vom 15. Oktober 2021

Ausbildung
Eine Frau übernimmt das Ruder
Runa Jörgens ist eine der wenigen Frauen, die als Kapitän zur See gefahren sind – Der PAZ berichtet sie von ihrem Werdegang
Silvia Friedrich

Geschichten von der Seefahrt wecken Sehnsüchte. Eine, die sich diesen Traum erfüllt hat, ist Runa Jörgens vom Deutschen Maritimen Zentrum in Hamburg. Dort arbeitet die Besitzerin des Befähigungszeugnis Kapitän zurzeit als Referentin für Schifffahrt. PAZ-Autorin Silvia Friedrich fragte sie nach ihren Erfahrungen als weiblicher Kapitän.

PAZ: Wie kamen Sie zur Seefahrt?

Runa Jörgens: Ich bin über das Ferienfahrer-Programm des Verbands Deutscher Reeder in die Seefahrt gekommen. Dieses bietet Schülern allgemeinbildender Schulen ab 16 Jahren in den Sommerferien die Möglichkeit, das Leben an Bord eines Seeschiffs als Praktikant kennenzulernen.


Was ist das Besondere an diesem Beruf?

Dass man mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen zu tun hat, aber auch mit innovativer Technik. Eine Kombination aus beidem und die stets neuen Herausforderungen machen den Beruf sehr besonders. Es ist ein Freiheitsberuf mit hoher Durchlässigkeit im Bildungsbereich. In der Maritimen Branche gibt es ein „Leben nach der Seefahrt“ mit sehr guten Berufsaussichten. Gefahrene Seeleute sind in Behörden zu finden, bei den Lotsen, in Reedereien, in Ministerien, in Klassifikationsgesellschaften, im Hafen und in Forschungseinrichtungen. 


Waren Sie auf allen Weltmeeren unterwegs?

Ich war auf verschiedenen Schiffstypen unterwegs, während meiner Ausbildungszeit auf sogenannten Multipurposeschiffen, Mehrzweckfrachtern, dann als Offizier auf Containerschiffen bis 2500 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit = 20-Fuß-Standardcontainer). Gefahren bin ich auf allen Weltmeeren, nur Australien fehlt auf der Liste.


Haben Sie dabei am Ruder gestanden?

Während meiner Ausbildung habe ich als Wachgängerin aber auch als Offizierin das Schiff immer mal wieder manuell gesteuert. Das Holzruder gibt es nicht mehr, sondern es ist meistens ein Joystick. Während der Seewache werden die Radargeräte und gleichzeitig der Seefunk beobachtet. Wachoffiziere sind verantwortlich für die sichere Navigation des Schiffes und die Einhaltung aller Verkehrsregeln. Die Aufgaben nautischer Offiziere an Bord sind davon abhängig, welcher Rang bekleidet wird. Im Hafen ist dies zum Beispiel die Ladungsüberwachung. Es muss darauf geachtet werden, dass das Gefahrgut und die Container auf dem richtigen Stauplatz stehen und Kühlcontainer einen Stromanschluss haben. 


Wie sieht der normale Alltag des Kapitäns aus?

Ein Schiff ist 365 Tage im Jahr unterwegs. Während des Bordeinsatzes ist das Schiff der Lebensort. An Bord ist Teamfähigkeit gefragt. Nur wenn alle gut zusammenarbeiten, funktioniert der Schiffsbetrieb. Kapitäne und Offiziere sorgen dafür, dass das Schiff von A nach B kommt, dass die Regeln des Heimatstaates des Schiffes (Flaggenstaat) aber auch die international und in den Häfen geltenden Regeln eingehalten werden. Sie kümmern sich darum, dass das Schiff ausreichend ausgerüstet ist mit Proviant, Brennstoff, Farbe und Ersatzteilen. Die Technik wird durch den Leiter der Maschinenanlage und der Maschinenmannschaft überwacht. Die finale Verantwortung für den Gesamtschiffsbetrieb trägt der Kapitän, der auch mit den Menschen reden muss, um zu erfahren, was ihre Sorgen und Nöte sind. Außerdem muss er eine Anlaufstelle sein und als Mittler zwischen Reederei und Besatzung wirken.


Gibt es etwas, das wenig Spaß macht?

Die administrativen Arbeiten, viel Papierarbeit in den Häfen, gehörten nicht zu meinen Lieblingsaufgaben.


Muss man seefest sein?

Alle Menschen, die an Bord gehen, müssen seediensttauglich sein, unabhängig von der Nationalität. Das sind internationale Vorschriften. Seediensttauglichkeit stellt in Deutschland ein zugelassener Arzt fest. Unter anderem darf ein Kapitän keine Rot-Grün-Schwäche haben.


Wie ist der typische Ausbildungsweg?

Typisch ist der Ausbildungsweg zum Schiffsmechaniker, der drei Jahre dauert. Die Ausbildung findet im Gesamtbetrieb Schiff statt, an Deck, in der Maschine und auf der Brücke. Wer sich entscheidet, Nautiker und nicht Schiffsbetriebstechniker zu werden, geht je nach Schulabschluss an eine Fachschule oder eine Fachhochschule und erwirbt das Befähigungszeugnis zum „Nautischen Wachoffizier“. Dieses muss „ausgefahren“ werden. Nach zwölf Monaten Fahrzeit auf See wird das Befähigungszeugnis zum „1. Nautischen Offizier“ erworben, das ebenfalls zwölf Monate auf See „ausgefahren“ wird. Hiernach wird das Befähigungszeugnis Kapitän ausgestellt. 


Braucht man dazu einen besonderen Schulabschluss?

Für die Ausbildung ist ein Abitur nicht zwingend nötig, denn durch die Schiffsmechanikerausbildung kann der mittlere Schulabschluss erworben und damit an einer Fachschule das Befähigungszeugnis Nautischer Wachoffizier erlangt werden. Man hat auch als Hauptschüler die Möglichkeit, bis zum Kapitän aufzusteigen.


Wie geht das genau?

Die internationale Grundvoraussetzung ist die zwölfmonatige Netto-Seefahrzeit, um das Studium für Nautik oder Schiffsbetriebstechnik aufnehmen zu können. In Deutschland geschieht dies durch die Ausbildung zum Schiffsmechaniker. Für den technischen Bereich gibt es den Schiffsbetriebstechniker. Der Ausbildungsweg ähnelt dem in der Nautik. Je nach Schulabschluss folgt darauf der Besuch einer Fachschule oder Fachhochschule für den Erwerb des Befähigungszeugnisses Technischer Wachoffizier. Die Schiffsmechanikerausbildung deckt beides ab: Schiffsbetriebstechnik und Nautik. Das ist unser Schweizer Taschenmesser.


Bekommt man noch das Kapitänspatent verliehen?

Das Kapitänspatent gibt es nicht mehr. Es heißt heute „Befähigungszeugnis zum Kapitän“. Dieses wird beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie beantragt. Ernennt einen die Reederei zum Kapitän und man fährt dann auch in der Position, dann ist man Kapitän.


Würden Sie Mädchen ermutigen, in den Beruf zu gehen?

Ich würde jeden Menschen, der zur See fahren möchte, dazu ermutigen. Maritime Berufe bieten viele spannende Möglichkeiten, mein Karriereweg ist ein gutes Beispiel dafür.


Wenn Sie beruflich einen Wunsch frei hätten – was wäre das?

Dass in allen Köpfen in Deutschland ankommt, ohne maritime Wirtschaft gäbe es keinen solchen Wohlstand, und dass die maritime Branche hervorragende Karrierewege bietet.