18.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Berlin-Wahl / Viele Wähler sehen sich getäuscht / „Danke für gar nichts, Franziska“: Statt eines Neuanfangs steuert Giffey wieder auf Rot-Rot-Grün zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Berlin-Wahl
Viele Wähler sehen sich getäuscht
„Danke für gar nichts, Franziska“: Statt eines Neuanfangs steuert Giffey wieder auf Rot-Rot-Grün zu
Norman Hanert

Berliner, die gehofft hatten, die Wahl der SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey brächte einen Neuanfang und Politikwechsel, müssen sich enttäuscht, wenn nicht gar getäuscht fühlen. Gut ein Jahr lang hatte Giffey ein „pragmatisches bürgernahes Programm“ versprochen. Da die SPD-Landeschefin sich im Wahlkampf betont bürgerlich gab und zum Teil ähnliche Positionen wie der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner vertrat, hielten Beobachter sogar eine „Deutschland“-Koalition der SPD mit CDU und FDP für möglich. Nach den ersten Sondierungsgesprächen ließ Giffey zumindest noch eine Präferenz für ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP erkennen.

Umso überraschender verkündete die ehemalige Bundesfamilienministerin am Morgen des 14. Oktober das Ende der Sondierungsgespräche mit der FDP. Bereits am Nachmittag des Folgetages legten SPD, Grüne und Linkspartei ein Eckpunktepapier für Koalitionsgespräche vor. Nachdem Giffey angekündigt hatte, Wohnungsneubau solle „Chefinnensache“ werden, sieht das Sondierungspapier den Bau von 20.000 Wohnungen pro Jahr vor. Zum Enteignungsvolksentscheid vereinbarten SPD, Grüne und Linkspartei, dass eine Expertenkommission gebildet werden soll, die innerhalb eines Jahres Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Umsetzung prüfen soll. 

„Sozialdemokratische Handschrift“

Wie Giffey es angestrebt hatte, will das Land Berlin künftig auch wieder Lehrer verbeamten. Die Abschaffung der eigenständigen Gymnasien, ein Ziel von Grünen und Linkspartei, taucht in dem Sondierungspapier dagegen nicht als Punkt auf. Weitgehend durchgesetzt hat sich Giffey auch bei ihren Vorstellungen zur Berliner Stadtautobahn. Der 16. Bauabschnitt der A 100 soll fertiggestellt und mit einem Verkehrskonzept bis an den Treptower Park verbunden werden. Zu dem Sondierungspapier sagte Giffey, es trage „eine ganz klare sozialdemokratische Handschrift“.

Nimmt man die Kommentare zum Maßstab, die Bürger als Reaktion auf die Beiträge Giffeys in sozialen Medien geschrieben haben, scheinen viele Berliner von der SPD-Politikerin trotzdem stark enttäuscht zu sein. Die Reaktionen reichen von „Dafür habe ich Sie nicht gewählt“ bis hin zu: „Danke für gar nichts, Franziska.“

FDP und CDU sprechen ganz offen von Wortbruch. Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Falko Liecke sagte mit Blick auf die Neuauflage von Rot-Rot-Grün: „Viele SPD-Wähler beißen sich jetzt in die geballte Faust.“ Auch der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja bescheinigte Giffey, sie habe ihr Versprechen gebrochen, einen Kurswechsel herbeizuführen.

Mit Blick auf die angeblich „klare sozialdemokratische Handschrift“ im Sondierungspapier bleibt abzuwarten, was Giffey in Laufe der Wahlperiode als Regierungschefin tatsächlich umsetzen kann.  Nimmt das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei die Arbeit auf, muss die ehemalige Bundesministerin damit rechnen, dass die Grünen noch selbstbewusster auftreten werden, als dies schon bislang der Fall war.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hat zwar ihr Ziel verfehlt, als Regierende Bürgermeisterin ins Rote Rathaus einzuziehen, dennoch hat ihre Partei bei den Berlin-Wahlen zugelegt. Nach der Wahl hatte Jarasch dann auch ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie lieber die Linkspartei und nicht die FDP als dritten Koalitionspartner dabeihaben wolle.

Vorwurf: lediglich Aushängeschild

Auch aus der eigenen Partei gab es indes Signale, dass Giffey möglicherweise ein „Heide-Simonis-Moment“ drohen könnte. Die SPD-Politikerin Simonis hatte im Kieler Landtag 2005 in vier Wahlgängen keine ausreichende Mehrheit erhalten, um Ministerpräsidentin zu werden. Bis heute ist nicht klar, welcher Abgeordnete im rot-grünen Lager Simonis die Stimme verweigert hat. Für Simonis kam das Scheitern seinerzeit überraschend, ohne Vorwarnung.

Im Kontrast dazu erhält Giffey derzeit sehr deutlich und sehr frühzeitig aus der eigenen Partei gesagt, was von ihr erwartet wird. Noch während die Sondierungsgespräche liefen, hatte sie von großen SPD-Kreisverbänden die Ansage bekommen, dass diese „für eine Fortführung des fortschrittlichen progressiven Bündnisses“ mit Grünen und Linkspartei einträten. 

Auch die Berliner Jungsozialisten sprachen sich auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz mit großer Mehrheit gegen ein Bündnis mit den Liberalen und für die Fortsetzung der Koalition mit Grünen und Linkspartei aus. Aus Sicht enttäuschter Berliner Wähler legen diese deutlichen Signale den Verdacht nahe, dass für Teile der Berliner SPD die Spitzenkandidatin Giffey im Wahlkampf lediglich ein Aushängeschild gewesen sei, welches nur die Fortsetzung der alten Politik ermöglichen sollte.