26.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Europäische Union / „Es wird keinen Green Deal ohne Kernenergie geben“ / EU-Staaten streiten, ob Atomkraft als nachhaltige Form der Energiegewinnung in die Richtlinie für grüne Finanzinvestments aufgenommen werden soll

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Europäische Union
„Es wird keinen Green Deal ohne Kernenergie geben“
EU-Staaten streiten, ob Atomkraft als nachhaltige Form der Energiegewinnung in die Richtlinie für grüne Finanzinvestments aufgenommen werden soll
Hermann Müller

Bis zum Ende des Jahres müssen die EU-Mitgliedstaaten eine Einigung erzielen, ob Kernkraft als nachhaltige Form der Energiegewinnung in die Richtlinie für grüne Finanzinvestments aufgenommen wird. Bereits im Sommer hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze zusammen mit Ministern aus Spanien, Österreich, Dänemark und Luxemburg einen „Brandbrief“ an die EU-Kommission geschrieben, in dem sie vor „Etikettenschwindel“ warnte, sollte Kernkraft als grüne und nachhaltige Energie eingestuft werden. 

Schulze und ihre Ministerkollegen räumten zwar ein, dass jedes Land das Recht habe, seine Energieform selbst zu wählen, doch untergrabe die Aufnahme von Kernkraft in die sogenannte Taxonomie die Glaubwürdigkeit. Aus Sicht der fünf Minister würden Sparer und Investoren ihr Vertrauen in Finanzprodukte verlieren, wenn sie fürchten müssten, auch im Bereich der Kernenergie viel Geld anzulegen.

Entscheidung bis Ende des Jahres

Die Gegenposition nimmt eine Allianz von zehn Ländern ein, die von Frankreich angeführt wird. Als Präsident Emmanuel Macron unlängst seine industriepolitische Strategie „France 2030“ vorstellte, gehörte für ihn ganz selbstverständlich auch die Weiterentwicklung der Nukleartechnik mit dazu. Kurz zuvor war Bruno Le Maire, Frankreichs Minister für Wirtschaft und Finanzen, bereits mit einer Pro-Nuklear-Initiative an die Öffentlichkeit gegangen. 

In einem Aufruf, der in mehreren europäischen Zeitungen abgedruckt wurde, erklärten Le Maire und die Minister aus Polen, Ungarn, Rumänien, Tschechien, Finnland, der Slowakei, Kroatien, Slowenien und Bulgarien, Kernenergie müsse wie alle anderen kohlenstoffarmen Energiequellen behandelt werden.

Aus Sicht des französischen Ministers geht es um die Frage, ob „wir den Klimawandel ideologisch verblendet“ bekämpfen oder aber auf einer wissenschaftlichen Grundlage. „Das bedeutet aber auch, dass wir anerkennen, wie nützlich die Atomkraft im Kampf gegen den Klimawandel ist“, so Le Maire. 

Frankreich führt Pro-Lager an

Frankreich und die östlichen Mitgliedsstaaten der EU können sich dabei auf den Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) berufen, einem Gremium, das gerade bei den Klimaschutzaktivisten hohes Ansehen und Glaubwürdigkeit genießt. Speziell Grünen-Politiker und auch Aktivisten von „Fridays for Future“ führen die Berichte des Weltklimarates gern als wissenschaftliche Grundlage für ihre Forderungen nach einer Verschärfung von Klimazielen an. Regelmäßig vergessen oder unterschlagen wird dabei, dass der IPCC explizit die Nutzung von Nuklearenergie empfiehlt. 

Bereits seit Jahren argumentiert der Weltklimarat, Kernenergie sei ein leistungsfähiges und kostengünstiges Mittel, um die Kohlendioxidemissionen zu senken. Auch die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) bescheinigt der Kernenergie, das Potential zu haben, in einem künftigen dekarbonisierten Energiemix verstärkt mit anderen kohlenstoffarmen Energiequellen kombiniert zu werden.

Bei der Nutzung der Kernenergie zeichnet sich in Frankreich, aber auch anderen Ländern eine Neuorientierung ab, weg von Großanlagen, hin zu kleineren Reaktoren. Bei Frankreichs Pionierprojekt, dem Bau des „Europäische Druckwasserreaktors“ der „dritten Generation“ in Flamanville sind die Kosten explodiert.

EU-Gutachten pro Kernenergie

An dem Projekt wird bereits seit 2006 gebaut. Die ursprünglich veranschlagten Baukosten von 3,3 Milliarden Euro sind mittlerweile auf über zwölf Milliarden angestiegen. Macron kündigte bei der Vorstellung seines Zukunftsplans „France 2030“ nun eine Fördermilliarde für neue Kleinreaktoren, sogenannte „Small Modular Reactors“, an. 

An solchen Mini-Rektoren, die sicherer und wesentlich preiswerter sein sollen als die bisherigen Großreaktoren, wird weltweit geforscht. Sollte die EU Nuklearenergie als ressourcenschonende Form der Energiegewinnung einstufen, würde dies Frankreich erleichtern, für die neue Generation von Mini-Reaktoren auch privates Kapital zu mobilisieren. Die Franzosen haben nicht nur wegen der Unterstützung der östlichen EU-Mitgliedsstaaten gute Chancen, ihre Position bis zum Jahresende durchzusetzen. 

Bereits im Juni war ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der EU-Kommission zugunsten der Kernenergie ausgefallen. Der für die zuständige Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, der Franzose Thierry Breton, brachte es auf den Punkt: „Es wird keinen Green Deal ohne Kernenergie geben.“