„Die digitale S-Bahn ist eine Weltneuheit“, schwärmt Roland Busch, Vorstandsvorsitzender von Siemens. Im Rahmen des diesjährigen Mobilitäts-Kongresses ITS in Hamburg haben in der Hansestadt vier umgebaute vollautomatisierte S-Bahnen den Probebetrieb aufgenommen. Busch sprach in dem Zusammenhang von einer „Blaupause für die Digitalisierung der Schiene in Deutschland, Europa und der ganzen Welt“.
Autonome Bahnen gebe es zwar schon länger, neu sei aber das offene System, das mit jeder Bahn kompatibel sei, welche die technischen Standards beherrsche. So rollt zwar bereits seit einigen Jahren die U-Bahn in Nürnberg auf zwei von drei Strecken computergesteuert und ohne Zugtriebführer über die Gleise, aber die U-Bahn fährt in einem geschlossenen System. Die S-Bahn hingegen verwendet ein offenes System, das im gesamten Schienennetz und bei allen Zugtypen eingesetzt werden kann. „Die neue Technologie ist bereits zugelassen und weil sie offene Schnittstellen hat, können sie alle Betreiber weltweit sofort für alle Zugtypen nutzen“, so Busch.
Die technische Basis für den digitalen Bahnbetrieb ist der künftige europäische Standard „Automatic Train Operation“, der mit dem europäischen Zugsicherungssystem „European Train Control System“ kombiniert wird. Die Steuerungssignale werden über eine von Siemens entwickelte Funktechnik erteilt.
Der Technikkonzern und die Hansestadt haben insgesamt 60 Millionen Euro in die digitale S-Bahn investiert, die Teil des DB-Programms Digitale Schiene Deutschland ist. Die Software soll mithilfe von Sensoren und Computern viel präziser steuern, als es ein Mensch könne. So könne ein Zug auf den Zentimeter genau am Bahnsteig zum Halten kommen, was jedes Mal etwas Zeit spare.
Zugführer fährt noch mit
Siemens ist derzeit der einzige Anbieter dieses Systems, wie Busch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Bis in die 2030er Jahre könnte deutschlandweit ein Großteil der Züge und Strecken im Nah- und Fernverkehr so aufgerüstet werden. Dafür wären allerdings nach Angaben von Busch Investitionen von zwei Milliarden Euro pro Jahr nötig.
Dafür erlaubt ein hochautomatisierter S-Bahn-Betrieb nach Darstellung der Bahn einen deutlich engeren Fahrzeugtakt auf der Schiene und helfe zudem, Energieverbrauch und Betriebskosten zu senken. Fahrer würden allerdings weiterhin gebraucht, um an Bord das System zu überwachen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember sollen die Züge in den Regelbetrieb gehen.
Auch die digitale Informationswelt soll schrittweise eingeführt werden. Dazu gehört eine digitale Streckennetzkarte, die Einschränkungen und Baustellen visuell darstellt und alternative Verbindungen zeigt. Diese soll künftig auch in den Zuganzeigern, im Smartphone und im Fahrgast-TV verfügbar sein.