26.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Österreich / Der Knall ist abgewendet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Österreich
Der Knall ist abgewendet
Gernot Danowski

Wer am letzten Wochenende mit wachen Augen durch den ersten Wiener Gemeindebezirk gegangen ist, der hätte meinen können, dass es Corona nie gegeben hätte. Am Wiener Graben wälzten sich die Touristenmengen zwischen Kaffeehäusern, Kaiserschmarrn und Luxusboutiquen. Etwas ruhiger ging es da schon am Ballhausplatz zu. Dort hat der Bundeskanzler seine Büros. Am Wochenende standen nur vereinzelt Reisegruppen und ein paar Touristen vor diesen altehrwürdigen Hallen. Dass es keine großen Demonstrantenmassen gab, hatte vor allem einen Grund: Sebastian Kurz war als Kanzler der Alpenrepublik zurückgetreten. 

Abgang eines Ausnahmetalents  

Zu groß war der Druck, der Opposition und der Medien. Kurz und einigen seiner Getreuen in der Österreichischen Volkspartei wird vorgeworfen, sie hätten für die ÖVP günstige Meinungsumfragen in Auftrag gegeben und diese mit Steuergeldern bezahlt. 

Der einstmals strahlende Kanzler Kurz war 2017 angetreten, um der angeschlagenen ÖVP neuen Glanz, Stabilität und vor allem die nächste Kanzlerschaft zu verschaffen. All das schien der jüngste Kanzler aller Zeiten mit Bravour und Leichtigkeit meistern zu können. Auch die Ibiza-Affäre um den damaligen Koalitionspartner, der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), konnte ihm nichts anhaben. Im Gegenteil. Die anschließenden Neuwahlen ließen Kurz und die ÖVP nur noch stärker werden. Wenn auch mit einem neuen Koalitionspartner – den Grünen. 

Jetzt liegt nicht nur seine Karriere, sondern auch der Erfolg der gesamten ÖVP auf Eis. Denn genau der grüne Koalitionspartner hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Kurz und Co. gegen eine weitere Zusammenarbeit mit der ÖVP ausgesprochen. Die Affäre habe ein „verheerendes Bild“ abgegeben, so der grüne Vizekanzler Werner Kogler. Daher könne man innerhalb der schwarz-grünen Koalition einen Kanzler Kurz nicht mehr stützen. 

Das war nicht ohne Risiko. Schließlich stand für die Grünen die Beteiligung an der Regierung auf dem Spiel. Das Spiel in der großen Politik können sie jedenfalls weiterspielen. Denn die ÖVP konnte sich intern darauf einigen, dass es weitergeht – und zwar ohne Sebastian Kurz als Kanzler, der zurücktrat. 

Der neue Mann, auf den sich alle auf die Schnelle einigen konnten, war der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg. Damit ist die Koalition gut bedient: Kurz ist weg, die Regierung geht weiter, das Thema Neuwahlen ist erstmal vom Tisch. Die Regierungskrise sei abgewendet und habe sich nicht zur Staatskrise ausgeweitet, so Bundespräsident Alexander van der Bellen. 

Ganz weg ist Sebastian Kurz jedoch nicht. Um weitere Unruhe zu vermeiden und den gestürzten Kanzler einzubinden, wurde dieser zum Klubobmann der ÖVP im Parlament gemacht. Das entspricht dem Fraktionsvorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland. Von einem „Schattenkanzler“ ist nun die Rede, wirkt der jetzige Regierungschef Schallenberg doch eher zurückhaltend und wenig profiliert. 

Doch so einfach ist das nicht. Mit dem Abgang von Sebastian Kurz werden mehrere Dinge deutlich: Auch wenn der zurückgetretene Kanzler der ÖVP für einige Zeit ein neues Gesicht geben konnte, ist zu sehen, dass die traditionell Mächtigen innerhalb der ÖVP, die Landeshauptleute der Länder, immer noch das Ruder in der Hand haben und über Aufstieg und Fall ihrer Frontleute auf Bundesebene bestimmen. Wie groß der Einfluss von Kurz noch ist, bleibt abzuwarten. Die Medaille der angedeuteten „Schattenkanzlerschaft“ hat schließlich auch eine Kehrseite: Kurz kann zwar nun auf Schallenberg Einfluss nehmen, aber die Partei kann auch Einfluss auf Kurz nehmen. 

Schlechte Zeiten für Konservative

Genau wie in Deutschland befindet sich also auch in Österreich die konservative Partei in einer Krise. Auch hier sind die Sorgen hausgemacht. In Deutschland ist die CDU dabei, sich selbst zu finden. Die Partei schwankt nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der Bundestagswahl noch zwischen Reform des Bestehenden und totalem Neuanfang. Trotz der bislang moderaten Debatten lässt sich eines feststellen: Auf dem Weg zur Selbstfindung ist die Union in Deutschland schon einen Schritt weiter als die Schwesterpartei in Österreich. Die dortige ÖVP steht erst am Anfang einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte.