20.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Porträt / Österreichs Bundesgraf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Porträt
Österreichs Bundesgraf
H. Tews

Als Freiherr von und zu Guttenberg 2009 Wirtschaftsminister wurde, fügte Wikipedia dreist einen falschen Wilhelm zu seinen zehn adeligen Vornamen hinzu. Laut dem Online-Lexikon kommt der neue österreichische Bundeskanzler nur auf sechs Vornamen. Vertrauen wir also darauf, dass es dieses Mal stimmt. Der Name Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo Schallenberg deutet schon die adelige Abstammung des Mannes an, der auf den wegen der Korruptionsaffäre zurückgetretenen Sebastian Kurz als Regierungschef der Alpenrepublik folgt.  

Hätte Österreich vor etwas über 100 Jahren nicht das Adelsaufhebungsgesetz beschlossen, dürfte sich der aus einem alten Adelsgeschlecht, das sich bis ins Jahr 1190 zurückverfolgen lässt, stammende Schallenberg stolz Graf nennen. Der einzige Titel, mit dem man ihn jetzt anreden darf, ist der eines Magisters der Rechtswissenschaften. Mit solchem im Gepäck hat der 1969 im Schweizer Bern geborene und unter anderem in Indien aufgewachsene Sohn des früheren Botschafters und Generalsekretärs des österreichischen Außenministeriums Wolfgang Schallenberg zunächst eine Diplomaten-Karriere bei der EU in Brüssel gemacht. 

Seine proeuropäische Haltung behielt er auch unter dem EU-kritischeren Kurz bei, dessen Lehrling er zuerst 2013 als Stabstellenleiter im Außenministerium und dann ab 2018 im Bundeskanzleramt wurde. Als Kurz infolge der Ibiza-Affäre das Misstrauen ausgesprochen wurde, war Schallenberg unter der „Beamtenregierung“ von Brigitte Bierlein Außenminister, was er auch unter der erneuten Kanzlerschaft von Kurz ab 2020 blieb.

Als Kanzler muss Schallenberg beweisen, dass er nicht mehr nur Lehrling und Marionette von Kurz ist, als der er von der Opposition verspottet wird. In der Immigrationsfrage ist der sonst so besonnene und diplomatisch zurückhaltende Politiker kürzlich fast übers Ziel hinausgeschossen und hat davor gewarnt, nicht so ein „Geschrei der Verteilung“ zu machen, wenn in Notlage befindliche Boote aus Afrika vor Europas Küsten auftauchten. In dem Mann steckt Potential. Er traut sich nur viel zu selten damit heraus.