16.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Ein „feuriger“ Hof-Compositeur / Königlicher Konzertmeister und Orchesterleiter Friedrichs des Großen – Vor 250 Jahren starb Johann Gottlieb Graun

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Ein „feuriger“ Hof-Compositeur
Königlicher Konzertmeister und Orchesterleiter Friedrichs des Großen – Vor 250 Jahren starb Johann Gottlieb Graun
Helga Schnehagen

Zu den Musikern, die zu Lebzeiten Stars waren und heute fast vergessen sind, gehören die Gebrüder Graun aus Wahrenbrück, einem 500-Seelen-Dorf im Landkreis Elbe-Elster. Nur Freunden und Kennern der Barockmusik dürfte geläufig sein, dass Johann Gottlieb Graun (1702–1771) und sein jüngerer Bruder Carl Heinrich (1704–1759) einst die berühmtesten Musiker und Komponisten am Hof Friedrichs des Großen waren. 

„Damals war das berlinische Orchester das glänzendste in Europa“, schrieb der englische Musikgelehrte Charles Burney 1752 in seinem „Tagebuch einer musikalischen Reise“. „Das berlinische Orchester“ war die Hofkapelle Friedrichs des Großen. Ihren Grundstein hatte der musikliebende Monarch lange vor seinem Regierungsantritt gelegt. Gleich nach seiner Stationierung als Regimentskommandeur in Ruppin hatte er 1732 begonnen, hochkarätige Musiker um sich zu scharen. 

Zuerst verpflichtete er Johann Gottlieb Graun. Im folgenden Jahr kam Franz Benda hinzu, 1735 der jüngere Graun-Bruder Carl Heinrich, 1738 Carl Philipp Emanuel Bach und 1741 Johann Joachim Quantz, berühmter Flötist und „Erfinder“ des Begriffs „vermischter Geschmack“.

Als Friedrich 1736 nach Rheinsberg zog, war seine Hofkapelle auf 17 Musiker angewachsen. Als erstes Mitglied der Ruppin/Rheinsberger Hofmusik des Kronprinzen war Johann Gottlieb Graun auch der Begründer der „königlich preußische(n) Capelle“, zu der diese 1740 mit Friedrichs Regierungsantritt aufstieg.

Als einer der bedeutendsten Violinvirtuosen seiner Zeit hatte sich Johann Gottlieb Graun früh einen Namen gemacht. Schon mit knapp 24 Jahren war er „Capell-Director“ am herzoglichen Hof in Merseburg geworden. Am 1. September 1731, so das Datum der Bestallungsurkunde, wurde er fünf Jahre später „Capell-Director“ am Hof von Fürst Karl August Friedrich in Arolsen. Hatte man ihm in Merseburg schon das vergleichsweise hohe Gehalt von 306 Talern und 6 Groschen gezahlt, entlohnte man ihn in Arolsen noch fürstlicher mit 400 Talern, dazu Naturalien wie freiem Quartier, Wein, Roggen und Brennholz. 

Der Glanz, den der Kapellmeister dem Arolsener Hof gab, erlosch schon nach einem Jahr mit Grauns Wechsel in Friedrichs Dienste. Als Königlicher Konzertmeister und Orchesterleiter blieb er am Hof in Berlin bis zu seinem Tod. Auch Bruder Carl Heinrich war zum Hofkapellmeister aufgestiegen. Als solcher gründete er die Staatsoper Unter den Linden. Am 7. Dezember 1742 wurde das Königliche Opernhaus mit seinem Drama per musica „Caesar und Cleopatra“ eröffnet. Als Star der Berliner Opernwelt hielt auch er dem preußischen Königshaus die Treue. Zufrieden in seinem Amt war ebenso der Älteste der Musikerbrüder. August Friedrich Graun (1698/99–1765) arbeitete 36 Jahre als Domkantor in Merseburg.

Ein Italiener pflegt das Graun-Erbe

Die genaue Urheberschaft der hinterlassenen Werke der „preußischen“ Graun-Brüder ist nicht immer festzustellen, da sie nur mit „Graun“ unterschrieben sind. Johann Gottlieb genoss als „feuriger Instrumentalcomponist“ höchstes Ansehen. In entsprechendem Stil schuf er seine Instrumentalwerke, meistens naturgemäß für die von ihm geleiteten Hofkonzerte: Ouvertüren, Sinfonien, Concerti Grossi und Solokonzerte für verschiedene Instrumente, besonders für Violine. In der Kammermusik komponierte er Quartette und Quintette, überwiegend aber Sonaten und Triosonaten.

Nicht zu vergessen sind Johann Gottlieb Grauns Gambenkonzerte. Zu den grandiosen Interpreten dieser heute eher seltenen Gattung gehört der Italiener Vittorio Ghielmi. Als bewunderter Gambist ist er einer der wenigen, der immer wieder als Solist in Graun-Konzerten zu hören ist. Als Leiter des Instituts für Alte Musik an der Universität Mozarteum Salzburg und Inhaber des Lehrstuhls für Viola da Gamba sowie als Gastprofessor an Universitäten und Konservatorien auf der ganzen Welt trägt Ghielmi maßgeblich zur Graun-Pflege bei.

Vier CDs hat Ghielmi bisher allein Johann Gottlieb Grauns virtuosem Werk für Viola da Gamba und Orchester gewidmet. Dieses tat er in Zusammenarbeit mit dem französischen Ensemble Baroque de Limoges, der Wiener Akademie, dem flämischen Barockensemble Il Gardellino und seinem eigenen Ensemble, dem Il Suonar Parlante Orchestra.

Auf der CD „Concertos“ interpretiert der Gambist Grauns Meisterwerke mit den Violin-Solisten Ilja Korol und Daniel Sepec sowie der Wiener Akademie unter Leitung von Martin Haselböck. Die „Sinfonia Grosso“, so der Musikwissenschaftler Carl Mennicke, übertreffe darunter „überhaupt alle anderen Symphonien Grauns an Prägnanz des Ausdrucks wie Stärke der melodischen Empfindung“. Im Hörfunksender hr-klassik hieß es dagegen schlicht, die „Concertos“ seien 70 Minuten echte Gute-Laune-Musik.

Ein „bescheidenes“ Denkmal hat nur Bruder Carl Heinrich 1896 in Wahrenbrück erhalten: eine Bronzebüste auf einem Granit-Sockel. Etwas weiter tragen die Kreismusikschule Gebrüder Graun mit Hauptgeschäftsstelle und Sitz in Herzberg und der seit 15 Jahren ausgetragenen Wettbewerb um den Gebrüder-Graun-Preis von Bad Liebenwerda ihren guten Ton in die Welt hinaus.