19.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / TV-Kritik / Aus dem Leben gerissen / Ein heikles Thema, das viele gerne verdrängen: Was tun, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

TV-Kritik
Aus dem Leben gerissen
Ein heikles Thema, das viele gerne verdrängen: Was tun, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?
Anne Martin

Es ist eine Situation, wie sie jederzeit und überall vorkommen kann. Ein Kurzbesuch bei der Mutter, es geht um die Betreuung des Enkels: Im Weggehen hört die Tochter ein Geräusch, eilt zurück in die Küche und findet die alte Frau bewusstlos am Boden liegend vor. Eine geplatzte Arterienerweiterung (Aneurysma) diagnostizieren die Ärzte kurz darauf im Krankenhaus. Dort wird die Patientin für Wochen verbleiben, angeschlossen an Maschinen, künstlich beatmet, durch eine Sonde ernährt, doch eine Heilung ist aussichtslos.

In dem Drama „Bring mich nach Hause“, das am 25. Oktober um 20.15 Uhr im ZDF läuft, sind die beiden Töchter von einer Minute auf die andere mit existentiellen Fragen konfrontiert, die Angehörige gemeinhin gern verdrängen. Was tun? 

Die tiefgläubige Ulrike (Silke Bodenbender) setzt alles Menschenmögliche in Bewegung, um das Leben der Mutter zu verlängern, denn die Hoffnung stirbt doch bekanntlich zuletzt! Schwester Sandra (Anneke Kim Sarnau) ist Wissenschaftlerin und von Haus aus pragmatischer. Am Krankenbett treffen kontroverse Haltungen aufeinander: Wie weit ist der Einsatz von Apparatemedizin hilfreich? Wann nur noch erbarmungslos? Und vor allem: Welche Behandlung entspräche dem Willen der Mutter? 

Durchaus drastisch zeigt der Film, wie die anfangs so konträr eingestellten Schwestern durch das Leid der Koma­patientin zusammengeschweißt werden. Diese wird zwischenzeitlich in ein Heim unter christlicher Leitung verlegt, in der eine Mitarbeiterin bei der reglos im Bett liegenden Apallikerin Anzeichen von Wohlbefinden wahrnehmen will. Reines Wunschdenken, argwöhnt die nüchterne Sandra: „Jeder Patient bringt Geld.“ 

Regisseurin Christiane Balthasar findet für den Prozess zunehmender Gewissensnot einen dramatischen Schluss: Die Schwestern wollen ihre Mutter gegen den Willen der Heimleitung von der künstlichen Ernährung und damit von einer Verlängerung ihres Leidens befreien. Eine Szene, die drastisch vor Augen führt, wie eine unheilbare Krankheit Familienangehörige in tiefe Gewissenskonflikte stürzen kann. 

Die Gesetzeslage zum Thema Sterbehilfe wurde 2020 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes geändert, durch welches das Selbstbestimmungsrecht über das Leben und den eigenen Tod bekräftigt wird. Aber was ist mit Koma­patienten, die ihren Willen nicht mehr äußern können? Wenn der Film eine Botschaft vermittelt, dann die: unbedingt eine Patientenverfügung hinterlegen. 

Hintergrund: Immer wieder musste der Bundesgerichtshof entscheiden, ob bei fehlender Patientenverfügung der Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen als zulässig oder strafbar einzuschätzen ist. Das Drehbuch wurde von wahren Fällen inspiriert. Im Anschluss folgt eine Dokumentation.