25.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Ostpreussen / Ein Hochverräter mit zünftigem Rückhalt / Hieronymus Roth stand an der Spitze des Königsberger Aufstands im 17. Jahrhundert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Ostpreussen
Ein Hochverräter mit zünftigem Rückhalt
Hieronymus Roth stand an der Spitze des Königsberger Aufstands im 17. Jahrhundert
Wolfgang Kaufmann

Der ab 1640 regierende Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg war in Personalunion auch Herzog in Preußen. Allerdings galt Preußen als unsicherer Besitz, da es vom polnischen König als Lehen vergeben wurde, und der steckte im Dauerkonflikt mit Schweden. Das barg die Gefahr schwedischer Interventionen in Preußen. Und so kam es dann auch, als 1655 der Zweite Nordische Krieg ausbrach. 

Der Große Kurfürst reagierte, indem er sich am 17. Januar 1656 im Vertrag von Königsberg zum Vasallen des Schwedenkönigs Karl X. Gustav erklärte. Dem folgten bis zum 3. Mai 1660 fünf weitere Verträge mit Karl X., Karl XI. und dem polnischen König Johann II. Kasimir sowie Kaiser Leopold I., in denen Friedrich Wilhelm zunächst Schweden und dann auch Polen die volle Souveränität über sein Herzogtum abtrotzte. 

Dabei blieb der Herrscher weiterhin in die Kämpfe um die Vorherrschaft im Baltikum verwickelt, was enorme Kosten verursachte – zum Beispiel die Bezahlung von Söldnern. Deshalb mussten die verschiedenen Stände in seinem Reich, also Adel, Prälaten und Städte, wesentlich mehr Geld aufbringen als die ursprünglich vereinbarten 530.000 Taler in fünf Jahresraten. Insgesamt beliefen sich die Zwangsabgaben zwischen 1655 und 1661 auf 12,5 Millionen Taler, von denen sieben Millionen auf das Herzogtum Preußen entfielen.

Das löste in Preußen insgesamt, aber besonders in Königsberg Unzufriedenheit aus. Diese resultierte zusätzlich daraus, dass der nunmehrige Souverän zugleich noch die Privilegien der Stände beschnitt. Dazu kam die prekäre Lage in der preußischen Hauptstadt infolge der Pest-Epidemie von 1653 und des Flüchtlingszustroms wegen des Tataren-Einfalls von 1656. 

In dieser Situation setzte sich der Schöffenmeister von Königsberg-Kneiphof, Hieronymus Roth, an die Spitze der ständischen Opposition gegen Friedrich Wilhelm. Seinen Widerstand gegen die landesherrlichen Zumutungen demonstrierte er zunächst im preußischen Landtag, dem er als Vertreter Königsbergs angehörte. 

Daraufhin verlangte die kurfürstlich-herzogliche Regierung von der städtischen Obrigkeit, Roth wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung den Prozess zu machen. Diese beschränkte sich aber darauf, den Unruhestifter im November 1661 aus dem Landtag abzuberufen. Grund hierfür war nicht zuletzt der starke Rückhalt, den der wortgewaltige Roth bei den Zünften genoss.

Preußen in angespannter Lage

Im Februar 1662 ging der Schöffenmeister dann noch einen Schritt weiter: Er begab sich heimlich an den Hof des polnischen Königs Johann II. Kasimir, des früheren Lehnsherren des Herzogs in Preußen, und intrigierte dort nach Kräften gegen Friedrich Wilhelm. Seine Forderungen nach einem Eingreifen Johann II. Kasimirs in Preußen erfüllten nun aber tatsächlich den Tatbestand des Hochverrats.

Gleichzeitig leugnete Roth gegenüber dem kurfürstlichen Abgesandten in Warschau, dass die Polen-Reise ein politisches Ziel verfolge, und gab vor, seinem Sohn ein Amt bei Hofe verschaffen zu wollen, weil die Geschäfte in Königsberg schlecht liefen. Dorthin zurückgekehrt verkündete er, der polnische König habe die Preußen niemals von ihrem Gehorsam gegenüber der Krone entbinden wollen.

Da weiterhin kein Gericht gegen Roth einschritt, konnte er bei diversen öffentlichen Versammlungen auftreten und schließlich erreichen, dass die Königsberger beschlossen, die neuerlich wieder von Friedrich Wilhelm geforderten Steuern zu verweigern und sich mit einer Klageschrift an Johann II. Kasimir zu wenden.

Der antwortete auf diese mit der schriftlichen Versicherung, den Königsbergern vollumfänglichen Schutz gegen den Herzog zu gewähren, löste sein Versprechen aber mangels Geldes und Truppen niemals ein. Dahingegen begab sich der Große Kurfürst im Oktober 1662 mit einer Eskorte von 2000 Leibgardisten über Pillau nach Königsberg und erteilte parallel dazu den Befehl, die Kanonen der Festung Groß Friedrichsburg auf die drei Stadtteile zu richten. Roth seinerseits hatte zuvor das Gerücht gestreut, der Herzog werde aufgrund des Ausbleibens der Steuern gar nicht nach Preußen marschieren können.

Die preußischen Stände gaben nach

Als der Landesherr dann aber doch unversehens in Königsberg eintraf, blieben dem Schöffenmeister nur noch wenige Tage in Freiheit: Am 30. Oktober 1662 wurde er unter Nutzung eines Ablenkungsmanövers auf der Straße vor seinem Haus von den Soldaten Friedrich Wilhelms ergriffen und ins Königsberger Schloss gebracht. 

Anschließend verurteilte ihn eine eigens hierzu eingesetzte Gerichtskommission zu „enger Haft“ von unbestimmter Dauer. Diese saß Roth in der Festung Peitz bei Cottbus ab. Hier genoss er zunächst etliche Privilegien, bis 1668 herauskam, dass er immer noch brieflich konspirierte. Der Gefangene blieb bis zu seinem Tode im Jahre 1678 im Kerker – ein Gnadengesuch an den Großen Kurfürsten war 1676 ohne Erfolg geblieben. 

Mit Roths Ausschaltung brach der Königsberger Aufstand schnell zusammen, und die preußischen Stände zeigten sich nun bereit, Friedrich Wilhelm im Oktober 1663 als Landesherrn zu huldigen.