25.04.2024

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Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021 / Ingenieurskunst / Wunder der Lüfte / Technologie Made in Germany – Die weltweit ersten serienmäßig gebauten Hubschrauber kamen aus der Gegend von Bremen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-21 vom 22. Oktober 2021

Ingenieurskunst
Wunder der Lüfte
Technologie Made in Germany – Die weltweit ersten serienmäßig gebauten Hubschrauber kamen aus der Gegend von Bremen
Nils Aschenbeck

In der kleinen Ortschaft Hoykenkamp bei Delmenhorst, an der Bahnlinie zwischen Bremen und Oldenburg gelegen, wurde Geschichte geschrieben. In einer ehemaligen Margarinefabrik wurden ab 1941 die ersten Hubschrauber der Welt in Serie gefertigt.

Der Bremer Flugpionier und Flugzeugbauer Henrich Focke (1890–1979) sowie der Kunstflieger und Testpilot Gerd Achgelis (1908–1991) übernahmen im Frühjahr 1937 die Gebäude der ehemaligen Delmenhorster Margarinefabrik, um hier ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Focke hatte bereits von 1932 bis 1936 in Bremen den ersten funktionstüchtigen Hubschrauber, die Focke-Wulf 61, konstruiert. Mit der Fw61 begann ein neuer Abschnitt der Luftfahrtgeschichte. Die Fw61-Probeflüge brachen alle Rekorde, die mit kaum flugtauglichen Drehflüglern damals schon aufgestellt waren. 

Im Jahr 1936 wurde die Fw61 in der Deutschlandhalle der Weltöffentlichkeit präsentiert. Die Testpilotin Hanna Reitsch flog die Maschine insgesamt 18 Mal vor vollbesetzten Rängen. Schnell wurde überlegt, die Fw61 – eine reine Versuchsmaschine – zu einem kriegstauglichen Lastenhubschrauber weiterzuentwickeln. Um diesen Plan zu verwirklichen, gründete Focke zusammen mit Achgelis, der 1934 und 1936 den Titel des Kunstflugweltmeisters in den USA errungen hatte, die Firma „Focke, Achgelis & Co.“. In den alten Hallen der Margarinefabrik, die verkehrsgünstig an der Bahnlinie lagen, wurden die Arbeiten aufgenommen. 

Zum ersten Schwebeflug über Hoykenkamper Wiesenland startete der Focke-Achgelis-Hubschrauber FA 223 am 8. März 1940. Schon wenige Wochen später folgte ein längerer Erprobungsflug. 1941 erhielt Focke & Achgelis vom Reichsluftfahrtministerium den Auftrag, die FA 223 in Serie zu fertigen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Luftfahrt hatte ein Hubschrauber das Versuchsstadium hinter sich gelassen, wobei zu erwähnen ist, dass vom Ingenieur Anton Flettner im südhessischen Eddersheim mit dem „Kolibri“ eine parallele Entwicklung eines kleineren Hubschraubers erfolgte. 

Rettungsflüge aus besetztem Gebiet

Die FA 223 sollte noch im Krieg in großer Zahl zum Einsatz kommen. Um den staatlichen Auftrag bewältigen zu können, ließen Focke & Achgelis auf dem Fabrikareal zwei freitragende 50 mal 100 Meter große Hallen errichten. Eine angrenzende Wiese wurde als Flugplatz hergerichtet. Die eigentlichen Erprobungsflüge fanden jedoch auf dem neu gebauten Militärflughafen in Delmenhorst-Adelheide statt. 

Auch ein Verwaltungsgebäude wurde damals in Hoykenkamp errichtet. Der viergeschossige neoklassizistische Ziegelbau, noch 1941 fertiggestellt, ist teilweise im Original erhalten geblieben. Schmiedeeiserne Gitter und zeittypische Kandelaber schmücken die Fassade. Eine von Rundbögen abgeschlossene Pfeilerreihe markiert den Eingang. Über eine breite Freitreppe gelangt man in das Treppenhaus. Ziegelpfeiler kontrastieren hier mit den Putzflächen der Wände. 

Dort, wo das Gebäude an die Fläche grenzt, die einst als Flugplatz genutzt wurde, ermöglicht ein turmartiger Aufbau die Beobachtung des Fluggeschehens. Hier oben saßen Achgelis und Focke, wenn sich Testpilot Bode mit einem Hubschrauber in die Luft erhob. 

1942 und 1943 wurde das Werk von britischen Bombern angegriffen und schwer beschädigt. Das vierte Stockwerk des Verwaltungsgebäudes brannte aus, das Stockwerk musste anschließend abgetragen werden. Auch einige Werkshallen wurden beschädigt. Die ersten zehn FA-223-Hubschrauber 0-Serie, die fertig montiert in der Halle standen, verbrannten.

Sofort nach den ersten Angriffen wurde die Produktion in das württembergische Laupheim nahe Ulm verlegt. Dort wurde dann bis Kriegsende weiter produziert. Nur wenige Focke-Achgelis-Hubschrauber, die 213 Kilometer pro Stunde schnell und 7100 Meter hoch fliegen konnten, wurden allerdings tatsächlich in Betrieb genommen, insgesamt sollen es kaum 20 gewesen sein. 

Über abenteuerliche Rettungseinsätze des Leutnants Gerstenhauer mit der Fa 223, die er 1945 in von Russen besetztes deutsches Gebiet flog, sind manche Berichte zu finden. Selbst mehrere hundert Kilometer am Stück ließen sich mit der Maschine zurücklegen.

Die Delmenhorst-Hoykenkamper Bauten der Hubschrauberfabrik wurden noch im Krieg von der „Weserflug“, einer Tochter der „Deutschen Schiff- und Maschinenbau AG“ (DESCHIMAG), übernommen. Die Weserflug unterhielt damals bereits in Lemwerder an der Weser und in einer vormaligen Delmenhorster Linoleumfabrik Produktionsstätten. Nach dem Krieg wurden die beiden freitragenden Hoykenkamper Flugzeughallen mitsamt der technischen Ausstattung von den Alliierten demontiert. 

Als in den 1950er Jahren die Alliierten den deutschen Flugzeugbau freigaben, übernahm die Weserflug, die noch immer bestand, die ehemaligen Liegenschaften. Hubschrauber allerdings wurden in Hoykenkamp nicht mehr gebaut. Nachfolgegesellschaft der Weserflug wurde die „MBB Hub- und Fördertechnik“, deren Hallen an der Fockestraße 2007 von der österreichischen Palfinger GmbH übernommen wurde.

Zwei aus Ersatzteilen zusammengesetzte FA 223 wurden nach dem Krieg in der damaligen Tschechoslowakei in Dienst gestellt. In Frankreich bildete eine FA 223 die Basis einer eigenen Hubschrauberentwicklung.


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