19.04.2024

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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Energiekrise Was die aktuelle Lage besonders gefährlich macht, ist, dass sie auftritt, während wichtige Industrieländer sich mitten im Umbau ihrer Energieversorgungssysteme befinden / Ein fatales Zusammentreffen / Während die Rohstoffe knapp sind, verschlimmert die Energiewende die weltweite Versorgungslage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Energiekrise Was die aktuelle Lage besonders gefährlich macht, ist, dass sie auftritt, während wichtige Industrieländer sich mitten im Umbau ihrer Energieversorgungssysteme befinden
Ein fatales Zusammentreffen
Während die Rohstoffe knapp sind, verschlimmert die Energiewende die weltweite Versorgungslage
Norman Hanert

Laut dem Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg erlebt die Welt derzeit ihre erste große Energiekrise im Zuge der Energiewende hin zu „sauberen“ Energiequellen. Dies wird nicht die letzte Krise sein, so die Prognose von Bloomberg. 

Wie die Ölpreiskrisen von 1973 und 1979/1980 zeigen, hat es auf dem globalen Energiemarkt auch in der Vergangenheit immer wieder starke Preisschwankungen und auch Knappheit gegeben. Die derzeitige Lage hat allerdings eine große Besonderheit. Sie tritt auf, während wichtige Industrieländer sich mitten im Umbau ihrer Energieversorgungssysteme befinden. 

Großbritannien

Wie risikoreich der Versuch einer Dekarbonisierung der Energieversorgung ist, zeigt sich derzeit besonders in Großbritannien. Dort will Regierungschef Boris Johnson die Stromversorgung schon bis 2035 komplett auf CO₂-freie Energien umstellen. Dabei will er nicht nur auf die Kohleverstromung verzichten, sondern auch auf die Nutzung von Erdgas. Ausgerechnet Kohle und Erdgas waren es allerdings, denen Großbritannien es in diesem Jahr zu verdanken hat, dass ihm bislang Stromrationierungen oder sogar ein totaler Ausfall der Stromversorgung erspart geblieben ist. Nach einem kalten Winter war aufgrund eines windarmen Sommers die Produktion von Windenergie in diesem Jahr deutlich geringer ausgefallen als erwartet. In dieser Situation sind in Großbritannien und EU-Ländern Kraftwerke eingesprungen, die mit Kohle und Erdgas arbeiten. Als Folge sind die Erdgaslager in Europa in diesem Jahr verhältnismäßig wenig gefüllt.

China

Noch angespannter ist die Versorgungslage in diesem Jahr in China. Wie chinesische Medien berichten, ist in rund 20 Provinzen des Landes seit Mitte September der Strom für Privathaushalte und Fabriken rationiert worden. Betroffen waren auch Zulieferer für Unternehmen wie Apple und Tesla in den Industriezentren Guangdong, Zhejiang und Jiangsu. Analysten von Morgan Stanley wiesen darauf hin, dass auch die Produktion von Stahl, Aluminium und Zement sowie Bauprojekte unmittelbar von den Stromausfällen und Lieferbeschränkungen betroffen waren.

Bei Chinas Stromknappheit spielen mehrere Umstände eine Rolle. Ausgelöst durch die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie ist der Strombedarf von Chinas Wirtschaft gestiegen. Eine Hitzeperiode trieb die Nachfrage nach Strom für Klimaanlagen in die Höhe. 

Gleichzeitig sank aufgrund einer Dürreperiode in Teilen des Landes das Angebot an Strom aus Wasserkraftwerken. Im Norden des Landes wurde Chinas größte Kohleförderregion, die Provinz Shanxi, von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht. Aufgrund der starken Überschwemmungen mussten 60 Kohleminen geschlossen werden. Verschärfend kommt hinzu, dass durch Pekings Handelsstreit mit Australien die Importe von Steinkohle stark eingeschränkt wurden. 

Indien

Chinas Energieprobleme haben mittlerweile Auswirkungen auf den großen Nachbarstaat Indien. Das Land, weltweit der zweitgrößte Kohleimporteur, leidet immer stärker unter leergekauften Märkten und Rekordpreisen für Kohle. Peking hat eigene Kohleausfuhren untersagt, gleichzeitig treiben chinesische Aufkäufer in Förderländern wie Indonesien und Kasachstan die Nachfrage und damit die Preise in die Höhe.





Kurzporträts

Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Yergin interpretiert die aktuellen Energieversorgungsprobleme als Warnung, wie komplex die Energiewende werden wird. 

Amos Hochstein, Berater der US-Regierung, befürchtet, dass es bei einem kalten Winter in Teilen Europas an Gas zum Heizen mangeln wird.

Laut dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, wisse jeder, „dass die Windkraftanlagen im Sommer aufgrund des Wetters nicht gearbeitet haben.“