19.04.2024

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Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021 / Es ist Zeit für den Ausstieg / Die unmissverständliche Botschaft hinter dem Rückzug von Bundesbankpräsident Jens Weidmann lautet: Die Europäische Zentralbank (EZB) macht den Euro zur Weichwährung. Es ist allerhöchste Zeit, dem Projekt den Rücken zu kehren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-21 vom 29. Oktober 2021

Es ist Zeit für den Ausstieg
Die unmissverständliche Botschaft hinter dem Rückzug von Bundesbankpräsident Jens Weidmann lautet: Die Europäische Zentralbank (EZB) macht den Euro zur Weichwährung. Es ist allerhöchste Zeit, dem Projekt den Rücken zu kehren
Thorsten Polleit

Am 20. Oktober 2021 verkündete Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, überraschend den Rücktritt von seinem Amt zum 31. Dezember 2021. In seinem Schreiben an die Belegschaft gibt er als Begründung dazu an: „Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als zehn Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich.“ Diese Worte werfen Fragen auf, vor allem weil Weidmann eine sehr wichtige Rolle für das Geld der Menschen nicht nur in Deutschland, sondern im Euro-Raum insgesamt spielt. Oder vielleicht doch nicht? Die stabilitätsorientierte Bundesbankposition wird seit Langem innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) bekämpft. Die Idee, eine Zentralbank solle die Preisinflation niedrig halten, solle den Regierungen kein Geld leihen und solle sich nicht einbinden, nicht vereinnahmen lassen von der Tagespolitik, hatte von Anfang an wenig Freunde im Kreise der Euro-Teilnehmerländer. 

Abschied von den Gründungsprinzipien

Kaum war der Euro 1999 eingeführt, machte man sich sogleich daran, die Prägung der EZB als Nachfolger des Bundesbankmodells abzustreifen. So erfolgte im Mai 2003 eine „Strategieüberprüfung“, mit der die strenge Orientierung der Geldpolitik am Geldmengenwachstum de facto zur Makulatur erklärt wurde. Spätestens von da ab ging es bergab. Die EZB sorgte mit ihrer durchweg laxen Politik zunächst für eine gewaltige Euro-Schuldenpyramide, die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zu kollabieren drohte. Seither reiht sich eine Rettung an die andere: Strauchelnde Staaten und Banken werden mit extremen Niedrigzinsen und immer größeren Geldmengenspritzen künstlich am Leben gehalten; die Euro-Volkswirtschaften liegen sozusagen als Dauerpatienten auf der Intensivstation. Die Reaktion der EZB auf die jüngsten politisch diktierten Lockdown-Krisen ist eine beispiellose Geldmengenflutung. Die Folgen dieser Politiken beginnen nun in Erscheinung zu treten: Die Güterpreisinflation zieht auf breiter Front an. 

Weidmanns Rücktritt ist kein Einzelfall. Im Februar 2011 erklärte der damalige Präsident der Bundesbank, Axel Weber, seinen Rücktritt. Das war genau in der Zeit, in der um die Nachfolge des scheidenden französischen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet gepokert wurde. Weil Weber keine Rückendeckung aus Berlin erhielt, ging das Amt an den Italiener Mario Draghi. Weber wollte die zusehends inflationärere EZB-Geldpolitik mit ihren anschwellenden Staatsschuldenkäufen nicht länger mittragen – wie er jedoch erst zwei Jahre nach seinem Rücktritt kundtat. Der nächste Bundesbank-Repräsentant in der EZB, der das Handtuch warf, war Jürgen Stark, Mitglied im EZB-Direktorium und Chefvolkswirt der Bank. Im September 2011 stieg er aus, konnte und wollte den zusehends regelloseren Kurs der EZB nicht mehr akzeptieren. Im September 2019 verkündete dann Sabine Lautenschläger, Mitglied im EZB-Direktorium, ihren Rücktritt. Sie hatte sich ebenfalls gegen die lockere EZB-Geldpolitik gestellt. 

Spaltung statt Einigung 

Sie alle sahen ganz offensichtlich, dass sie keine Möglichkeit mehr hatten, die EZB auf „Stabilitätskurs“ zu halten, zu verhindern, dass die EZB-Geldpolitik außer Rand und Band gerät. Es ist nicht mehr zu übersehen: Nicht nur wird die Euro-Kaufkraft durch höhere Güterpreisinflation herabgesetzt, sondern die Einheitswährung dient vor allem auch dem politischen Zweck, den wirtschaftlichen Reichtum der relativ gesünderen Volkswirtschaften an die misswirtschaftenden Volkswirtschaften umzuverteilen. Diese ernüchternde Einsicht dürfte nun auch Jens Weidmann ereilt und ihn zu seinem Rücktritt bewogen zu haben. Zumindest scheint das eine plausible Erklärung für seinen Rücktritt zu sein. Für die Öffentlichkeit ist nun von ganz entscheidender Bedeutung, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Im Grunde sind sie offenkundig, jedoch politisch heikel und unerfreulich, erschüttern vermutlich die Gemütsruhe mancher gutgläubiger Bürger und Unternehmen.

Der Euro ist nicht das, was viele meinen: Eine Einheitswährung, die für Frieden und Wohlstand in Europa sorgt. Der Euro ist vielmehr ein geradezu größenwahnsinniges und letztlich auch undurchführbares Projekt: Die ungedeckte Einheitswährung sorgt durch ihre Krisenanfälligkeit nicht etwa für mehr, sondern vielmehr für weniger Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum; sie eint nicht die Euro-Staaten, sie schürt vielmehr Zwist und Konflikt zwischen ihnen; sie befördert nicht das freie Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, sie schwächt es, zerstört es. Diese Einsichten sind nicht etwa willkürlich herbeigeredet, sie lassen sich vielmehr mit soliden ökonomischen Theorien begründen. Doch leider werden sie überhört und ausgeblendet, und das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum viele Menschen hierzulande fälschlicherweise immer noch meinen, sie würden vom Euro profitieren. Doch das ist eine Illusion.

Der Euro verkommt zu einer inflationären Währung, vor diesem Schicksal ist er nicht mehr zu retten. Und egal wer der nachfolgende Bundesbankpräsident im EZB-Rat auch sein wird: Es wird nicht besser mit dem Euro, es wird eher schlimmer werden. Nicht nur höhere Güterpreisinflation wird es geben. Die kollektivistisch-sozialistischen Kräfte in der Politik, die die EZB im Zuge einer „grünen Geldpolitik“ für ihre Zwecke einspannen, setzen alles daran, die verbliebenen Reste der freien Wirtschaft und Gesellschaft auch noch abzuschaffen. Das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf selbstständigem Handwerk, kleineren und mittleren Betrieben und auch einer leistungsfähigen Industrieproduktion gründet, hat unter dem Euro-Diktat der EZB keine Zukunft. Für die Deutschen ist es allerhöchste Zeit, dem ruinösen Euro den Rücken zu kehren. Vielleicht findet Weidmann ja noch die Gelegenheit, der Öffentlichkeit genau das mitzuteilen. 

Ausstiegsmöglichkeiten

Wie aber kann eine Abkehr vom Euro aussehen? Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Beispielsweise kann die Regierung den in der Bundesrepublik ansässigen Bürgern und Unternehmern auf freiwilliger Basis anbieten, ihre Euro-Bankguthaben und Rentenpapiere in eine von der Deutschen Bundesbank ausgegebene neue Währung („Neue Mark“) zu einem festen Wechselkurs umzutauschen. Auf diese Weise können diejenigen, die es wünschen, aus dem Euro-Raum effektiv austreten. Die „Neue Mark“ – möglicherweise mit einer Goldanbindung versehen – wäre konvertibel in den Euro und in alle anderen Währungen, zu denen sich ein Wechselkurs am Devisenmarkt frei bildet. Eine andere, wirklich konsequente Möglichkeit, das Geldproblem zu lösen, besteht darin, einen „freien Markt für Geld“ zuzulassen. Dazu sind alle rechtlichen Hürden, die einer freien Währungswahl entgegenstehen – wie Zahlkraftgesetze sowie Mehrwert- und Kapitalertragssteuern auf „Geldkandidaten wie Gold, Silber und Kryptoeinheiten – abzuschaffen.

Bürger und Unternehmer haben dann die freie Wahl, für ihre Transaktionen Euro, US-Dollar oder digitalisiertes Gold- oder Silbergeld, eine Kryptoeinheit oder was auch immer zu verwenden. Damit wäre ein Ende des staatlichen Geldmonopols verbunden, und genau das wäre auch ein großer Gewinn für die Menschen. Die wiederkehrenden und immer schlimmer werdenden Finanz- und Wirtschaftskrisen, für die das staatliche ungedeckte Geld unweigerlich sorgt, hätten ein Ende – und das hebt den Wohlstand der Menschen. Es gibt ohnehin keine ökonomisch und ethisch überzeugende Begründung, warum der Staat das Geld monopolisieren sollte. Ganz im Gegenteil. Die Währungsgeschichte quillt über mit Beispielen, wie der Staat das Geld ruiniert – und genau das zeichnet sich jetzt wieder leidvoll im Euro-Raum, aber auch anderswo auf der Welt ab. 

Spätestens mit dem Rücktritt von Jens Weidmann sollte wirklich allen, die bei klarem Verstand sind, deutlich geworden sein, dass die EZB das Bundesbankmodell, das auf relativ wertstabiles Geld abzielte, vollends abgestreift hat – und dass es einer Realitätsverweigerung gleichkommt, zu glauben, die verloren gegangene Stabilitätskultur ließe sich wiedergewinnen. Es ist vielmehr Zeit für eine Zäsur im Geldwesen. Und es ist besser, diese kommt früher als später, denn die Kosten des Verbleibs im Euro werden für die deutschen Bürger und Unternehmer unbarmherzig immer weiter ansteigen, bis sie ruinös werden. 

Zurück zu einem besseren Geld 

Eine Zäsur, wie sie obenstehend angedacht wurde, wäre auch ein Schritt, durch den andere Euro-Länder der Kaufkraftzerstörung und wirtschaftlichen Entkernung entkommen könnten. Vielleicht ebnet der Weidmann-Rücktritt ja doch den Weg zu einem „Happy End“ – zu einem besseren Geld. 






Dr. Thorsten Polleit ist Chefökonom der Degussa, Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland und Honorarprofessor an der Universität Bayreuth. 2020 erschienen „Mit Geld zur Weltherrschaft“ und „Der Antikapitalist. Ein Weltverbesserer, der keiner ist“ (beide FinanzBuch Verlag). www.thorsten-polleit.com